Niedrige Zinsen gegen Deflation:Notfalls negativ

Die Waren könnten zu billig werden: Um die drohende Deflation zu bekämpfen, will die Europäische Zentralbank unter anderem noch einmal die Zinsen senken, das ist Insidern zufolge "mehr oder weniger sicher". Das Geld wird also noch billiger - auch negative Zinsen sind möglich.

Mario Draghi hat es eilig. Bis Juni muss der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Paket aus Maßnahmen fertig haben, mit dem er die Inflation in der Euro-Zone nach oben treiben will. Die EZB möchte eine Deflation im Keim ersticken - einen Preisverfall, der der Wirtschaft schaden kann.

Zuletzt war die Teuerung in der Eurozone beängstigend niedrig ausgefallen. Im März lag die Rate bei 0,5 Prozent, im April bei 0,7 Prozent. Das ist zu wenig, denn mittelfristig strebt die EZB eine Inflationsrate von nahe zwei Prozent an, als Puffer gegen Deflation. Draghi machte vergangene Woche deutlich, dass ihm die niedrige Teuerung der EZB großen Sorgen bereitet. Für Deutschland bestätigte das Statistische Bundesamt an diesem Mittwoch allerdings eine Teuerungsrate von 1,3 Prozent - deutlich über dem Schnitt der Euro-Zone.

Bei der EZB ist deshalb eine Zinssenkung im Gespräch. Derzeit liegt der Satz bei rekordniedrigen 0,25 Prozent - der Zins könnte im Juni auf 0,1 Prozent sinken. Das wird der Nachrichtenagentur Reuters immer wahrscheinlicher. Sie zitierten sie einen Insider, der mit den Beratungen vertraut ist: mit den Worten: "Eine Zinssenkung ist mehr oder weniger sicher."

Weil viel Banken bei der EZB Geld parken, denken die Zentralbanker auch darüber nach, den Einlagenzins von aktuell null Prozent ins Negativ abzusenken. Bankeinlagen wären dann faktisch mit einer Strafgebühr versehen. Das soll den Anreiz für die Institute erhöhen, ihr überschüssiges Geld an Unternehmen zu verleihen. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet sagte einem Bericht der Zeit zufolge: "Negative Einlagezinsen sind ein möglicher Teil einer Kombination von Maßnahmen."

Ebenfalls im Gespräch ist ein neues Kreditprogramm, das auch die Bank of England bereits eingeführt hat. Banken sollen nur dann günstig Geld von der EZB erhalten, wenn sie die Mittel auch wirklich in die Realwirtschaft verleihen, also an Firmen. Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist zwar aus der Rezession gekommen, doch das Wachstum ist immer noch schwach. Außerdem möchte Draghi künftig eventuell Kreditverbriefungen kaufen. Banken können dann ihre an Privathaushalte oder Firmen vergebenen Kredite bündeln und loswerden. Das schont die eigene Bilanz. Am 5. Juni wird die EZB entscheiden, was passiert. Grundlage ist die Inflationsprognose der EZB, die kurz davor vorliegen wird. Bleibt die Teuerung so niedrig, greift Draghi wohl ein.

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