Niedergang der Drogeriekette Schlecker:Fast wie ein Schneeballsystem

Der Aufstieg der Drogeriekette Schlecker verlief rasant - genau wie ihr Niedergang. Zeitweise hatte das Unternehmen doppelt so viele Märkte wie die gesamte Konkurrenz, doch schiere Größe nutzte nichts: Schlecker hatte die falsche Strategie.

Ingrid Fuchs

Plötzlich lief es gar nicht mehr gut: Bereits im Januar 2010 meldete das Unternehmen einen Umsatzrückgang und kündigte eine Strategieänderung an. Noch im selben Jahr holte Patriarch Anton Schlecker seine beiden Kinder Meike und Lars in die Führungsspitze. Mit ihnen begann im Jahr 2011 ein radikaler Umbau: neue Ausrichtung der Läden, neues Firmen-Logo und neue Führungsgrundsätze, um die seit langem angeprangerte schlechte Behandlung der Mitarbeiter endlich zu stoppen. Aus den roten Zahlen kam Schlecker trotzdem nicht. Am 20. Januar gab es dann die Schreckensmeldung - das Unternehmen geht in die Planinsolvenz.

Die Intention: Diese Form der Insolvenz würde dem bisherigen Geschäftsführer mehr Rechte als eine klassische Insolvenz lassen. Ziel des Verfahrens war es, einen großen Teil des Filialnetzes zu erhalten und damit auch die Mehrzahl der etwa 30.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Der Geschäftsbetrieb sollte unverändert weiterlaufen, hieß es aus der Unternehmensspitze. Daraus wurde nichts.

Für Schlecker begann der Kampf ums Überleben.

Nur Tage später sorgte Meike Schlecker für weitere Schlagzeilen. Nicht nur die Unternehmenstochter "Ihr Platz" ist pleite, auch das private Vermögen der Familie sei aufgebraucht. "Es ist nichts mehr da", behauptete die 38-jährige Gründer-Tochter.

Geplatzte Hoffnung auf Transfergesellschaft

Zu diesem Zeitpunkt versuchte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz noch zu beschwichtigen. Die mangelnde Liquidität sei kein Grund, das Unternehmen aufzugeben, es sei noch "Potential" da. Auch die Kompetenz sei in der Familie vorhanden, sagte er Ende Januar. Den eingeschlagenen Sanierungsweg, das Konzept "Fit for Future", schätzte Geiwitz als vernünftig ein.

Doch für das neue Konzept war es schon zu spät. Im Februar gab Schlecker bekannt, bis Ende März 12.000 Menschen entlassen zu müssen. Tausende Mitarbeiter protestierten und es gab verzweifelte Versuche, irgendwie Geld zu beschaffen. Es folgten aufreibende Verhandlungen um die Gründung einer Transfergesellschaft.

Für kurze Zeit sah es so aus, als würde eine Einigung zustande kommen. Die Bundesländer vereinbarten am 19. März einen Kredit für die insolvente Drogeriekette - sie wollten für 70 Millionen Euro der staatseigenen KfW bürgen.

Dann aber ließ Bayern die Verhandlungen platzen, das FDP-geführte Wirtschaftsministerium hatte sich quer gestellt. Noch am Tag des Scheiterns, am 29. März, verschickte Schlecker-Insolvenzverwalter Geiwitz die Kündigungen für mehr als 10.000 Schlecker-Mitarbeiter, einige hatten bereits selbst gekündigt.

Anfang April begann die Suche nach geeigneten Investoren für die Kette, mehrere "ernsthafte Interessenten" gingen ins Rennen. Wer könnte und wollte die geschrumpfte Drogerie-Kette mit ihren 3200 verbliebenen Filialen künftig führen?

Für die Schlecker-Tochter Ihr Platz fand sich Anfang Mai ein Investor aus München. Die Beteiligungsgesellschaft Dubag wolle alle 480 noch bestehenden Filialen erhalten und die auf 4700 Mitarbeiter geschrumpfte Belegschaft nicht weiter zusammenstreichen, hieß es.

Für Schlecker selbst wurde bereits vor einer Woche auf ein endgültiges Ergebnis gehofft. Am vergangenen Freitag trafen sich die drei größten Gläubiger - und vertagten die Entscheidung erneut: auf diesen Freitag.

Die beiden Interessenten - Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen und US-Investor Cerberus Capital Management - sollten ihre Angebote nachbessern, bei Kaufpreis und Konzept noch nachlegen. Mit ihnen war Arndt Geiwitz bis zuletzt in "harten Verhandlungen". Genutzt hat es am Ende nichts: Schlecker wird nun zerschlagen.

Schwaches Geschäftsmodell

Schleichend begann der Niedergang von Schlecker schon viel früher: Seit der Eröffnung der ersten Drogerie in Kirchheim/Teck im Jahr 1975 durch Anton Schlecker expandierte das Unternehmen gewaltig. Binnen weniger Jahre schossen überall im Land neue Filialien aus dem Boden - 1000 Läden waren es nach nicht einmal zehn Jahren; Mitte der 90er sprach das Unternehmen von mehr als 5000 Geschäften.

Diese ständige Expansion des Schlecker-Imperiums hat nach Aussage von Top-Managern die Drogeriekette lange Zeit über die Schwäche des Geschäftsmodells hinweggetäuscht. "Wenn wir ehrlich sind, dann funktionierten wir ab Mitte der 90er Jahre wie ein Schneeballsystem. Es ging nur weiter, weil wir es ständig erweiterten", zitierte das Handelsblatt einen sogenannten Altdirektor, angeblich einen der engsten Vertrauten von Firmenpatriarch Anton Schlecker.

Schlecker hatte auf dem Höhepunkt seines Wachstums mit mehr als 8000 Filialen in Deutschland mehr als doppelt so viele Märkte wie die gesamte Konkurrenz. Allerdings erwirtschafteten Rossmann und dm in attraktiveren Lagen und mit einem größeren Sortiment mit der Zeit immer mehr Gewinn, während er bei Schlecker zurückging. "Das ist die eigentliche unternehmerische Leistung von Schlecker, dass er die Pleite so lange hinausgezögert hat", sagte der Altdirektor.

Zahlreiche Gläubiger

Die insolvente Drogeriekette müsste mehrere große Gläubiger bedienen. Dem Kreditversicherer Euler Hermes schuldet das Unternehmen etwa 300 Millionen Euro. Weiterer Gläubiger ist der Finanzdienstleister Markant Finanz AG für die gleichnamige Lieferantengruppe. Die Höhe der Markant-Forderungen ist bislang unbekannt.

Der Staat in Form der Agentur für Arbeit macht Ansprüche in Höhe von etwa 150 Millionen Euro geltend. Bei den Forderungen handelt es sich unter anderem um das gezahlte Insolvenzgeld von Januar bis März diesen Jahres. Die Höhe der Gesamtforderungen an Schlecker ist unbekannt. Zuletzt war von einem hohen dreistelligen Millionenbetrag die Rede.

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