Fachkräftemangel:Wenn die Firma die Befruchtung bezahlt

Fachkräftemangel: Bis eine Kinderwunschbehandlung zum Erfolg führt, kann es dauern und viel Geld kosten.

Bis eine Kinderwunschbehandlung zum Erfolg führt, kann es dauern und viel Geld kosten.

(Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Große US-Unternehmen übernehmen bei unerfülltem Kinderwunsch ihrer Angestellten die Kosten für die Behandlung. Das setzt sich nun auch in Europa durch - weil es im Kampf um gute Mitarbeitende nicht nur um das Gehalt geht.

Von Kathrin Werner, München

Menschen, die sich ein Kind wünschen und keines bekommen können, leiden oft sehr darunter, auch finanziell. Verschiedene Medikamente, Fruchtbarkeitstherapien, künstliche Befruchtung, Samenspende - all das kostet Geld. Je mehr Versuche, umso mehr Geld braucht man, bis es tatsächlich klappt. Oder bis man aufgibt. Und die Krankenkassen übernehmen meist nichts oder nur einen Teil der Summen.

Unfruchtbarkeit ist ein großes gesellschaftliches Problem. Laut Weltgesundheitsorganisation ist mehr als jedes siebte Paar betroffen. In den USA reagieren nun Wirtschaftsunternehmen auf diese Situation. Laut der Stiftung International Foundation of Employee Benefit Plans bieten dort schon 40 Prozent aller Unternehmen ihren Mitarbeitern und vor allem den Mitarbeiterinnen an, die Kosten der Kinderwunschbehandlung teilweise oder ganz zu übernehmen. Große Unternehmen wie Apple, Facebook und Google zahlen bereits seit einiger Zeit die Gebühren, wenn ihre Mitarbeiterinnen ihre Eizellen auf Eis legen wollen, um später damit schwanger zu werden. Das sind oft mehrere zehntausend Dollar.

Nun bietet zum ersten Mal auch in Europa ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden bis zu 40 000 Euro Unterstützung bei unerfülltem Kinderwunsch an. Die gleiche Summe zahlt das amerikanische Beratungsunternehmen Kearney mit Filialen unter anderem in Berlin und München nach eigenen Angaben auch bei Adoptionen. Kearney hat gerade ein neues Bonusprogramm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Europa aufgelegt, das unter anderem hohe Zuschüsse für die Kinderbetreuung vorsieht und eine sechsmonatige vollbezahlte Auszeit nach der Geburt des Kindes möglich macht - also mehr als das gesetzlich vorgesehene Elterngeld in Deutschland.

Die Arbeitgeber wollen sich als sozial und modern präsentieren

Ein Gedanke dahinter ist auch, dass sich Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels neue Möglichkeiten ausdenken müssen, um die besten Leute zu bekommen und zu halten. Allein mit Geld lassen sich gerade jüngere Menschen oft nicht mehr locken. Die Arbeitgeber wollen sich darum als sozial und verständnisvoll präsentieren und stellen offensiv Programme vor, die der Work-Life-Balance dienen sollen - und der Geschlechtergerechtigkeit. Die neue Fruchtbarkeits- und Familienunterstützung treibe den gesellschaftlichen Wandel voran, konkret: "die Gleichbehandlung beider Elternteile - unabhängig von Geschlecht oder der Art und Weise, wie sie Eltern geworden sind", sagt Marc Lakner, der Chef von Kearney in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Ein US-Unternehmen, das besonders großzügig die Kosten solcher Therapien unterstützt, ist Starbucks. Autumn Lucy aus Michigan ist eine der Frauen, die davon profitiert hat. Sie arbeitete einige Monate lang drei Vormittage pro Woche für die Kaffeekette. Im Gegenzug zahlte das Unternehmen ihr die künstliche Befruchtung und eine Krankenversicherung, die mehr Kosten übernimmt als ihre vorherige. Ihr Sohn Lordy kam im November 2022 zur Welt. Bei Tik Tok berichtet sie über ihren Weg. Das beste System sei es nicht, sich einen Zweitjob suchen zu müssen, um die Kosten tragen zu können, findet sie. Eigentlich brauche es bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle. "Aber gleichzeitig muss ich mit dem kaputten System arbeiten, das wir haben."

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