Neuheiten auf dem Smartphone-Markt:Schneller, flacher, stopp

In immer kürzeren Abständen produzieren Smartphone-Hersteller vermeintliche technische Revolutionen. Doch das Tempo nützt weder den Firmen noch ihren Kunden. Wenn es so weitergeht, wird es lange dauern, bis wieder eine Entwicklung die Branche verändert, wie es das iPhone getan hat.

Ein Kommentar von Sophie Crocoll

Bevor Apple 2007 das iPhone vorgestellt und auf dem Handymarkt eine Revolution ausgelöst hat, hieß das Lieblings-Mobiltelefon vieler Amerikaner noch Razr. Das schlanke Motorola-Gerät zum Aufklappen verkaufte sich in den USA am besten - und das über fünf Jahre lang.

Heute ist das nicht mehr vorstellbar. Wer würde schon noch das erste iPhone kaufen? Inzwischen gilt ein Modell spätestens nach einem Jahr als veraltet. Im Schnitt bietet ein Hersteller ein Gerät sogar nur noch sechs bis neun Monate im Laden an, heißt es beim taiwanesischen Produzenten HTC. Verzögert sich die Entwicklung um einige Monate wie beim Blackberry 10, das der kanadische Hersteller gerade vorgestellt hat, verschreckt das Aktionäre und Käufer. Schnell zu sein, das ist in der Branche heute alles. Immer häufiger bringen Konzerne neue Smartphones auf den Markt. Doch das Tempo ist längst in Schnelllebigkeit umgeschlagen. Die nützt weder den Firmen noch ihren Kunden.

Dabei hat es der Branche lange gutgetan, darum zu wetteifern, technische Neuerungen schneller als die Konkurrenz auf den Markt zu bringen. Denn die Rivalität um kürzere Zyklen bedeutete, dass wirkliche Innovationen entstanden, von denen auch der Kunde profitierte. Weil die neuen Mobiltelefone ihm Musikspieler und Fotoapparat ersetzten. Weil er auch unterwegs das Internet nutzen konnte. Und weil das Design der Geräte moderner und ansprechender wurde. Hersteller, die es wie Nokia oder Blackberry zunächst nicht für möglich hielten, dass sich ein Bildschirm durchsetzt, der auf Berührungen reagiert, haben viele Käufer verloren - und versuchen seither, wieder zu Apple und Samsung aufzuschließen.

Zwar bieten auch heute neue Geräte stets mehr als ihre Vorgänger: einen größeren, schärferen Bildschirm, eine bessere Kamera, einen schnelleren Chip. Aus der Revolution ist aber eine Evolution geworden. Und selbst die ist oft kaum zu erkennen. Wo viele Hersteller die Software und den Chip für ihre Geräte nicht mehr selbst entwickeln, ähneln sich die Smartphones. Den Wettbewerb um die Kunden gewinnt, wer die beste Marketingmaschine bewegt. Längst zelebriert nicht mehr nur Apple seine Produktvorstellungen als Event. Bei jedem Branchentreffen präsentieren die Hersteller das flachste, das schnellste Handy der Welt - bis auch das, oft nur wenige Wochen später, seinen Status wieder verliert.

Kunden machen den Tempo-Wettbewerb mit

Für die Handyfirmen bedeutet das: Der Zeitraum, in dem sie mit einem Modell Geld verdienen, Investitionen wieder einnehmen und vielleicht sogar Gewinn machen können, ist inzwischen auf ein Minimum verkürzt. Selbst bei Apple sinkt der Anteil vom Gewinn, den der Konzern in die Forschung und Entwicklung steckt. Der Wettbewerb ähnelt immer stärker dem in der Computerindustrie - dort fehlt vielen Firmen schon seit Längerem die Zeit, um aus dem Zyklus immer neuer Produkte auszubrechen und sich etwas zu widmen, das wirklich radikal neu wäre.

Warum beenden die Hersteller das Spiel nicht? Weil auch die Kunden es wollen. Früher haben die meisten Menschen ein neues Handy gekauft, wenn das alte kaputt ging. Nun wechseln sie das Gerät spätestens, wenn nach zwei Jahren der Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter ausläuft. Die Schlangen vor den Apple-Stores sind auch nach fünf Jahren nicht verschwunden. Die Kunden sind auf das Karussell aufgestiegen und sie treiben es an: Wer stets das neueste Smartphone kauft, so scheint es vielen, bleibt selbst modern. Auch, wenn er den zusätzlichen Speicherplatz oder das bessere Mikrofon weder braucht noch nutzt.

Dafür nehmen viele Menschen in Kauf, dass immer mehr Rohstoffe benötigt werden, um zusätzliche Smartphones herzustellen: Aluminium, Kupfer, seltene Erdmetalle, deren Abbau oft die Umwelt belastet. Auch die Menge an Elektroschrott, die durch alte Handys entsteht, wächst. Je stärker das Design eines Geräts im Vordergrund steht, desto schwieriger kann es sein, es zu recyceln, etwa weil der Akku nicht herausgenommen werden kann.

Nun kann der Produktzyklus kaum kürzer werden, Hersteller können Smartphones nicht noch schneller auf den Markt bringen, Kunden sie nicht häufiger austauschen. Beide sollten ihren Rhythmus verlangsamen. Sonst wird es lange dauern, bis wieder eine Entwicklung die Branche verändert, wie es das iPhone getan hat.

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