Neueste Zahlen:Viele Deutsche zahlen keine Einkommensteuer

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Rund 6,2 Millionen der 28,8 Millionen Steuerpflichtigen erzielen derzeit Einkünfte von höchstens 10.000 Euro, die größtenteils steuerfrei sind.

Von Marc Beise

Alle drei Jahre legt das Statistische Bundesamt eine neue Einkommensteuerstatistik vor. Dabei hinken die amtlichen Zähler allerdings zeitlich nach, weil erst der Abschluss aller Steuerverfahren in den Finanzämtern abgewartet werden muss.

Das Einkommen vieler Deutscher ist so gering, dass sie sich nicht mit dem Finanzamt auseinander setzen müssen. (Foto: Foto: dpa)

So enthält die an diesem Dienstag am Sitz des Bundesamtes in Wiesbaden vorgestellte Statistik Daten für 2001; nach Auskunft des Amtes hat sich an der Verteilung bis heute nicht allzu viel geändert.

Danach werden 11,2 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens von 176,7 Milliarden Euro von jenen 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen aufgebracht, die eine halbe Million Euro oder mehr als Gesamteinkünfte hatten: Es handelt sich konkret um 36.430 Steuerzahler.

Die oberen 30 Prozent

Wird der Kreis etwas weiter gefasst, zeigt sich, dass die oberen 30 Prozent der Steuerpflichtigen mit Einkünften über 37.500 Euro rund 63 Prozent der gesamten Einkünfte und 81 Prozent der festgesetzten Lohn- und Einkommensteuer beitragen.

Unter den bereits erwähnten 0,1 Prozent Spitzenverdienern wiederum waren 12400 Euro-Millionäre mit einem Durchschnittseinkommen von 2,7 Millionen Euro. "Von ihnen musste jeder im Durchschnitt 1,1 Millionen Euro Einkommensteuer zahlen", so das Bundesamt.

Diese Zahl liegt deutlich niedriger als jene, die üblicherweise in Studien von Unternehmensberatungen genannt werden, so im World Wealth Report von Cap Gemini und Merrill Lynch. Dort sind derzeit 760.000 Millionäre ausgewiesen. Gezählt wird hier das Vermögen, und zwar einschließlich der Immobilien und Liegenschaften (Wälder), aber ohne selbst genutzte Immobilien.

Das Statistische Bundesamt kann dagegen nur jene Millionäre erfassen, die aus ihrem Vermögen Erträge erzielen und versteuern.

Aufsehen erregendes Urteil

Dies war bis 1995 anders, als in Deutschland noch eine Vermögensteuer erhoben wurde; das Bundesverfassungsgericht hatte die Anwendung des entsprechenden Gesetzes in einem Aufsehen erregenden Urteil untersagt.

Für die Statistik werden zusammen veranlagte Eheleute als ein Steuerpflichtiger gezählt. Danach hat das durchschnittliche Einkommen 2001 mit 33.450 Euro um knapp fünf Prozent über dem Stand von 1998 gelegen, das Einkommensteueraufkommen war um knapp vier Prozent höher.

Der durchschnittliche Steuersatz lag bei 21,6 Prozent und damit 1,1 Punkte niedriger als drei Jahre zuvor. 21,4 Prozent der Steuerpflichtigen, rund 6,2 Millionen Bürger, hatten Gesamteinkünfte von höchstens 10000 Euro, die zum größten Teil steuerfrei waren.

Weitere Stufen

Seit 2001 haben weitere Stufen der rot-grünen Steuerreform die Steuerbelastung insgesamt gesenkt. Im Bundesamt geht man deshalb davon aus, dass bei der nächsten Zählung in drei Jahren ein geringeres Gesamtsteueraufkommen ermittelt werden wird, ohne dass sich an der Einkommensverteilung viel ändern werde: Der Kreis der unteren Einkommensgruppen, die nicht steuerpflichtig sind, wird wohl gewachsen sein, und gleichzeitig durch die Senkung des Spitzensteuersatzes auch der Beitrag der Reichen schrumpfen.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund plant die SPD für ihr Wahlprogramm einen Steuerzuschlag von drei Prozent auf Einkommen über 250.000 Euro und erhofft sich davon zusätzliche Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro.

Ob diese Mehreinnahmen realistisch sind, wird freilich von vielen Experten bezweifelt. Befürchtet wird auch, dass Steuererhöhungen zu einer verstärkten Steuerflucht führen könnten.

"Reine Symbolpolitik"

Bert Rürup, Finanzwissenschaftler aus Darmstadt und Vorsitzender des Sachverständigenrats der Bundesregierung, nennt den SPD-Plan "eine reine Symbolpolitik ohne ökonomischen Sinn und mit nur einem bescheidenen fiskalischen Effekt".

Von der geplanten Reichensteuer der SPD wären derzeit ungefähr 60.000 Spitzenverdiener in Deutschland betroffen. Zu dieser Prognose kommt der Experte Axel Klein-Klute vom Statistischen Bundesamt .

Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel hat die SPD-Vorschläge für eine Reichensteuer unterdessen kritisiert. Damit kehre die SPD von den Grundsätzen der Agenda 2010 ab, was von der Bevölkerung als Zickzackkurs wahrgenommen werde, sagte die CDU-Chefin bei der Eröffnung des Deutschen Multimedia Kongresses in Berlin.

"Das mag zwar als Einzelmaßnahme ganz populär sein, aber trotzdem spüren die Leute, dass die Grundrichtung nicht wirklich ehrlich beschrieben wird." Richtig sei, dass Deutschland es schaffen könne, Wachstum zu generieren, aber dass man dann auch Prioritäten setzen müsse.

© SZ vom 29.06.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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