Neues Privatisierungsmodell:SPD zerlegt Börsenpläne für Bahn

Die Privatisierung der Deutschen Bahn steht vor neuen Hindernissen: Eine hochrangige Arbeitsgruppe der SPD will ein Volksaktien-Modell durchsetzen, das den mühsam gefundenen Koalitionskompromiss durchkreuzen würde.

Michael Bauchmüller

Eine hochrangige SPD-Arbeitsgruppe einigte sich am Freitag auf einen Antrag für den Parteitag Ende kommender Woche, der eine Privatisierung zunächst nur über Volksaktien vorsieht. Dies läuft den Börsenplänen der Bahnspitze zuwider. Auch der mühsam gefundene Koalitionskompromiss steht damit auf der Kippe.

"Es scheint, als ob die SPD damit die Gesprächsgrundlage verlassen hat", sagte Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich.

Ursprünglich sollte die Bahn noch im kommenden Jahr an den Kapitalmarkt gehen. Das Unternehmen sollte so frisches Geld für seine Expansion erhalten.

Parteivorstand berät am Montag

Doch der Zeitplan könnte Ende kommender Woche ins Wanken geraten. Dann könnte der SPD-Parteitag den Antrag beschließen, den der Arbeitskreis nun erarbeitet hat. Der Parteivorstand wird am Montag darüber beraten.

"Private Investoren", so der Entwurf, "dürfen keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben." Daher sollten zunächst mindestens 25,1 Prozent der Anteile als stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben werden.

Ein solches "Volksaktien"-Modell hatte die SPD-Linke gefordert. "Über die weitere Beteiligung privater Investoren entscheidet der Gesetzgeber nach einer Evaluierung", heißt es weiter.

"Es geht uns darum auszuschließen, dass irgendwelche Investoren gegen die Interessen des Unternehmens agieren", sagte Fraktionsvize Klaas Hübner der Süddeutschen Zeitung.

Wenig Gegenliebe bei der Union

In der Union trifft diese Lösung allerdings auf wenig Gegenliebe. "Wir machen eine Privatisierung auch, um die Effizienzkontrolle der Finanzmärkte zu erreichen", sagte der Unions-Verkehrspolitiker Friedrich der SZ. "Das fällt quasi völlig weg."

Eine Scheinprivatisierung werde es mit der Union nicht geben. Die Bahn selbst wollte sich am Freitag zu dem Entwurf nicht äußern.

Ihr Finanzvorstand Diethelm Sack hatte aber schon klar gemacht, dass er von der Volksaktie nicht viel hält. "Wir wollen einen ganz klassischen Börsengang", hatte er vor Monatsfrist erklärt. "Die Teilprivatisierung untermauert: Wir wollen eine unternehmerische Bahn."

Bund behielte alleine das Sagen

Davon wäre mit den SPD-Vorschlägen nicht viel übrig. Der Bund behielte alleine das Sagen. Weil er per Gesetz verpflichtet ist, die Mehrheit an dem Gesamtkonzern zu halten, hätte er de facto drei Viertel der Stimmen.

Private Investoren könnten keine satzungsändernde Mehrheit mehr erlangen. "Da kann man auf keinen Fall mehr mir nichts, dir nichts eine normale Privatisierung draus machen", sagte der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer. Zusammen mit der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hatte er das Volksaktien-Modell überhaupt erst ins Gespräch gebracht.

"Hartmut Mehdorn steht jetzt vor der großen Frage, ob er überhaupt noch weitermacht", sagte Scheer mit Blick auf den Bahnchef.

Allerdings ist der Entwurf auch innerhalb der SPD-Spitze umstritten. Während Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee ihm zustimmte, enthielt sich Finanzminister Peer Steinbrück der Stimme.

Garantiedividende

Er hatte das Modell der stimmrechtslosen Vorzugsaktien abgelehnt. "An unserer grundsätzlichen Haltung hat sich nichts geändert", sagte sein Sprecher.

Tatsächlich könnten auf den Bund Mehrkosten zukommen, denn die Vorzugsaktien erhalten eine Garantiedividende. Reicht der Bahn-Gewinn dafür nicht aus, muss der Bund draufzahlen.

Dagegen will die Parteilinke am Sonntag noch über mögliche Verschärfungen des Entwurfs beraten, die den Gestaltungsspielraum des Bundes weiter einengen könnten.

Auch könne eine zusätzliche Klausel eingebaut werden, hieß es am Freitag: Sollte die Union den SPD-Vorschlag nicht mittragen, müsse der Börsengang ganz abgeblasen werden.

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