Süddeutsche Zeitung

Neues Konjunkturpaket:Dritter Schubser fürs Wachstum

Die Regierung beschließt am Montag Entlastungen für Familien und Hoteliers - und verzichtet auf Einnahmen von 8,4 Milliarden Euro.

Guido Bohsem

Die Regierung will Eltern, die Hotelbranche und Unternehmen von 2010 an um 8,48 Milliarden Euro im Jahr entlasten. Darauf verständigten sich jetzt die Staatssekretäre der Ministerien. Das Kabinett soll den Entwurf des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes am Montag beschließen. Es ist das dritte Konjunkturpaket, das Deutschland in zwölf Monaten auflegt.

Mit den Vorhaben will die schwarz-gelbe Koalition die Folgen der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik endgültig überwinden. Schon am Donnerstag soll der Bundestag in erster Lesung darüber beraten. Der Bundesrat wird das Gesetz voraussichtlich noch kurz vor Weihnachten am 18. Dezember beschließen. Die Kritik der Bundesländer an den Steuersenkungsplänen der neuen Regierung wird indessen lauter. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bemüht sich, die Wogen zu glätten und kündigte eine faire Verteilung der Lasten an.

20 Euro mehr Kindergeld

Größte Nutznießer des Pakets sind Familien. Sie haben dadurch jährlich etwa 4,6 Milliarden Euro mehr in der Tasche. So sollen die Steuerfreibeträge für jedes Kind von derzeit 6024 Euro auf 7008 Euro steigen. Davon profitieren vor allem Besserverdienende, weil nur sie eine so hohe Summe im Rahmen ihrer Steuererklärung vollständig geltend machen können. Zum Ausgleich für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen will die Bundesregierung parallel das Kindergeld um 20 Euro anheben.

Für das erste und das zweite Kind zahlt der Staat damit vom kommenden Jahr an monatlich 184 Euro, für das dritte 190 Euro und für jedes weitere je 215 Euro. Für eine Familie mit zwei Kindern macht das 480 Euro zusätzlich im Jahr. Vor allem auf Druck der CSU werden die Koalitionäre zudem Steuererleichterungen für die Betreiber von Hotels, Pensionen oder Gasthöfen beschließen. Statt 19 Prozent sollen auf die Kosten der Übernachtung in Zukunft nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer anfallen.

Dadurch verzichtet der Staat nach den Berechnungen des Finanzministeriums auf rund eine Milliarde Euro an Einnahmen. Von 2010 an zahlt damit rein rechnerisch jeder der 45.227 Betriebe dem Staat etwa 22.000 Euro weniger als noch 2009. Im Gesetzentwurf findet sich keine Begründung für das Vorhaben. Die CSU hatte argumentiert, die deutschen Hotels und Pensionen damit wettbewerbsfähiger im Vergleich zu den europäischen Nachbarn zu machen. So verlangt Österreich beispielsweise einen reduzierten Mehrwertsteuersatz. Ob die Übernachtungspreise in Deutschland durch die Regelungen spürbar sinken werden, ist indes äußerst fraglich. So geht zum Beispiel der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in Berlin davon aus, dass die Betreiber die Ersparnis vor allem in Modernisierungen stecken.

Entlastung der Unternehmen

Das Umsatzsteuergesetz erhält damit eine weitere Ausnahme, obwohl die Finanzpolitiker der Liberalen für eine deutliche Vereinfachung eintreten. Eigentlich sollte der reduzierte Satz auf lebensnotwendige Dinge und Kulturgüter beschränkt sein.Von diesem Grundsatz gibt es aber zahlreiche Ausnahmen. Bereits zu Zeiten der großen Koalition hatte die CSU durchgesetzt, dass die Betreiber von Liftanlagen nur noch den reduzierten Mehrwertsteuersatz zahlen. Das hatte zur Folge, dass auch für die Fahrstuhlfahrten auf Aussichtsterrassen etwa auf Fernsehtürmen ein niedriger Mehrwertsteuersatz fällig ist.

Für die Unternehmen verspricht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Steuernachlässe von 2,4 Milliarden Euro. Die Koalition lockert dabei hauptsächlich Regeln, die die Union zusammen mit der SPD beschlossen hatte, um die seit 2008 geltende Unternehmensteuerreform nicht zu teuer für den Staat werden zu lassen. Damals hatte die große Koalition die Steuerlast für Kapitalgesellschaften von 38,7 auf unter 30 Prozent gesenkt.

Die Grünen kritisierten das von der schwarz-gelben Regierung aufgelegte Paket. Die Wirtschaftsexperten Kerstin Andrea und Christine Scheel mahnten stattdessen Liquiditätshilfen für kleinere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten an, die derzeit nur schwer Kredite von den Banken erhielten. Diesen 1,5 Millionen Betrieben solle die Bundesregierung die Möglichkeit eröffnen, über drei Monate die Sozialbeiträge für ihre Mitarbeiter vorzufinanzieren. Dazu schlagen die Grünen-Politikerinnen vor, eine Stelle bei der staatlichen Förderbank KfW einzurichten und die Mittel aus dem sogenannten Deutschlandfonds zu verwenden.

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SZ vom 07.11.2009/tjon/hgn
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