Süddeutsche Zeitung

Neues Gesetz:Korrupten Ärzten droht Gefängnis

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Vor allem die Mediziner und die Pharmabranche rücken verstärkt ins Visier der Justiz.

Von Guido Bohsem, Berlin

Seit ein paar Monaten herrscht bei manchen Spielern des Gesundheitssystems ein großes Unbehagen. Anwälte werden kontaktiert, Beraterfirmen eingeschaltet. Ziel der Anfragen ist es, herauszufinden, ob diese oder jene Zusammenarbeit nach dem neuen Korruptionsgesetz noch möglich ist oder vielleicht künftig mit Strafen belegt wird. Am Donnerstag hat der Bundestag das Regelwerk beschlossen. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur neuen Regelung.

Warum ist das Gesetz notwendig?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2012 den Fall einer Pharmareferentin geprüft, die an mehrere Ärzte insgesamt 18 000 Euro vergeben hatte. Die Ärzte sollten so animiert werden, ein bestimmtes Medikament zu verschreiben. Ein klarer Fall von Korruption - könnte man meinen. Doch kamen die Richter zum Ergebnis, dass die Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs für niedergelassene Vertragsärzte grundsätzlich nicht anwendbar sind. Seitdem gibt es faktisch keine strafrechtlichen Ermittlungen in dem Bereich mehr.

Wie groß ist der Schaden?

Eine genaue Zahl lässt sich naturgemäß nicht nennen. Es gibt allerdings zahlreiche Schätzungen. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen beziffert den Schaden auf mehr als eine Milliarde Euro. Andere Berechnungen gehen von elf Milliarden Euro oder von bis zu 18 Milliarden Euro aus.

Wie tritt Korruption auf?

Die Modelle sind vielfältig. Neben dem Schmieren von Ärzten, damit diese bestimmte Medikamente verordnen, gibt es auch anrüchige Abmachungen zwischen Kliniken und Ärzten. So betreibt ein Arzt zum Beispiel seine Praxis in einem Haus, das einem Krankenhaus gehört. Er muss eine niedrige Miete zahlen, und als Gegenleistung überweist er seine Patienten dann in das entsprechende Krankenhaus. Ein anderes Beispiel ist eine Scheinanstellung eines niedergelassenen Arztes in einer Klinik. Er erhält Lohn für eine Arbeit, die er nie verrichtet hat, und schickt im Gegenzug seine Patienten in diese Klinik. Allerdings fällt beileibe nicht jede Art von Kooperation im Gesundheitswesen unter Korruption. Im Gegenteil. Nach Aussagen des SPD-Rechtspolitikers Johannes Fechner soll eine erwünschte Zusammenarbeit zum Beispiel in einem Hausarztvertrag auch weiterhin möglich sein.

Was bewirkt das Gesetz?

Korruption im Gesundheitswesen soll damit im Strafrecht angesiedelt werden. Niedergelassenen Vertragsärzten, aber auch anderen Angehörigen von Heilberufen und den Bestechern drohen Strafen von bis zu drei Jahren Haft, wenn sie sich der Korruption schuldig machen. In besonders schweren Fällen können die Täter sogar bis zu fünf Jahren Haft verurteilt werden. Es soll sich zudem um ein sogenanntes Offizialdelikt handeln. Das heißt, die Staatsanwaltschaft muss Ermittlungen aufnehmen, sobald sie von möglicher Korruption erfährt, durch einen Zeitungsbericht oder den Hinweis eines Mitarbeiters. Damit sind die Fraktionen über die Formulierung im Entwurf hinausgegangen, in dem Korruption im Gesundheitssystem als sogenanntes relatives Antragsdelikt ausgestaltet war, bei dem nur ein enger Personenkreis einen Strafantrag hätte stellen können.

Sind Hinweisgeber geschützt?

Nein, die Krankenkassen hatten eine solche Regelung ausdrücklich gefordert. Doch haben die Rechtsexperten der Koalition einen solchen Passus nicht vorgesehen. Dafür soll es ein eigenes, sozusagen übergeordnetes Gesetz im Bereich des Arbeitsrechts geben. Die Union sperrt sich allerdings dagegen. Eine Einigung der Koalition ist nicht in Sicht.

Wie wird Korruption bestimmt?

Im Gesetz gilt der Wettbewerb als leitendes Prinzip, um Korruption zu bestimmen. Wann immer ein "lauterer Wettbewerb" gefährdet ist, kommt das Gesetz zum Einsatz. Im Fall des Arztes, der gegen Geld ein bestimmtes Medikament verordnet, sind ja die Konkurrenten des Herstellers betroffen. Der Wettbewerbsbegriff soll nach den Wünschen der Rechtspolitiker sehr weit ausgelegt werden. Die Gesundheitspolitiker der SPD hatten ursprünglich Bedenken gegen diesen Ansatz. So fürchtete zum Beispiel der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke, dass der Bezug zum Patienten im Gesetz zu kurz komme. Der SPD-Vizefraktionschef Karl Lauterbach hatte zudem Bedenken, dass der Wettbewerbsbegriff bei der personalisierten Medizin, bei der ein Arzneimittel nur für einen sehr kleinen Personenkreis infrage kommt, nicht greift. Diese Bedenken wurden ausgeräumt, indem man den Punkt in die Gesetzesbegründung aufgenommen hat.

Was ist mit der Berufsordnung?

Ursprünglich sollte eine Verletzung der Berufsordnung der verschiedenen Landesärztekammern oder anderer Heilberufe strafbar gemacht werden. Dagegen hatte die Ärzteschaft jedoch heftig protestiert und dabei Unterstützung der Union gefunden. In der Anhörung hatten sich zudem Zweifel ergeben, ob eine solche Regelung der Verfassung entspricht.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2016
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