Neues Defizit:Krankenkassen fordern Milliarden vom Staat

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Wenn der Staat nicht hilft, wollen die Kassen die Beiträge erhöhen. Die FDP macht den Gesundheitsfonds für die Kostenexplosion verantwortlich.

Guido Bohsem

Angesichts des Defizits von 7,4 Milliarden Euro haben Vertreter der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Steuerzuschüsse vom Staat gefordert. Ansonsten seien Beitragserhöhungen unausweichlich. Das Finanzloch in der GKV verschärfte den Streit zwischen Union und FDP über den Gesundheitsfonds. Während die Liberalen ihn als Verursacher des Milliardenlochs bezeichneten, verteidigte Kanzlerin Angela Merkel den Fonds.

"Die neue Regierung sollte den geplanten Steuerzuschuss von 2,5 Milliarden Euro vorziehen, um die dringendsten Finanzierungsprobleme der Kassen abzufedern", sagte der Vorstandschef des Ersatzkassenverbandes (VdEK), Thomas Ballast, am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Damit würden sich die Finanzspritzen des Bundes an die Versicherer 2010 auf 14 Milliarden Euro erhöhen. Diese Summe soll nach derzeitigem Stand erst 2012 erreicht werden.

"Alarmsignal"

Ein Sprecher der Barmer Ersatzkasse bezeichnete das am Dienstag vom Schätzerkreis im Gesundheitswesen prognostizierte Defizit als Alarmsignal. Der Gesundheitsfonds sei von Anfang an unterfinanziert gewesen. "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das Defizit auszugleichen, deshalb muss der Steuerzuschuss erhöht werden." Auch müsse bei den Ärzten, Kliniken und bei den Medikamenten gespart werden.

Die Barmer, die nach der Fusion mit der Gmünder Ersatzkasse zum größten Versicherer in Deutschland wird, werde nicht mit Zusatzbeiträgen ins neue Jahr starten.

Auch der Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, schloss für seine Kasse aus, Anfang 2010 einen Zusatzbeitrag zu erheben. Das Defizit dürfe jedoch nicht nur über die Beitragszahler ausgeglichen werden. "Vielmehr sind auch Staat und Arbeitgeber gefragt", betonte er und sprach sich damit für einen höheren Steuerzuschuss und der Anhebung des einheitlichen Beitragssatzes aus. Dieser liegt derzeit bei 14,9 Prozent des Bruttolohns.

Nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Siemens-Betriebskrankenkasse, Hans Unterhuber, werden aber auch die großen Kassen im Lauf des Jahres gezwungen sein, Zusatzbeiträge zu erheben, wenn die künftige Koalition die Finanzprobleme der GKV nicht angeht. Finanzschwächere Kassen würden versuchen, sich über Fusionen zu retten.

CDU: FDP muss lernen, dass sie nicht mehr Opposition ist

Er machte für die Entwicklung den Fonds verantwortlich und forderte eine Abschaffung des einheitlichen Beitragssatzes. "Die Krankenkassen brauchen wieder ein gutes Stück Finanzhoheit." Dem widersprach der stellvertretende Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann.

Eine Abschaffung des Fonds, wie die FDP es fordere, helfe nicht: "Wenn ein Bankkonto tief in den roten Zahlen ist, dann ist daran doch nicht das Konto Schuld", sagte er der SZ.

Die Chefunterhändlerin der Union bei den Koalitionsverhandlungen für den Bereich Gesundheit, Ursula von der Leyen, sprach von einem Finanzierungsproblem, das es zu lösen gelte. Der Fonds habe damit nichts zu tun. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) verwahrte sich dagegen, das Milliardendefizit allein auf dem Rücken der Beitragszahler zu lösen.

Einsparpotential gebe es auch bei der Pharmaindustrie, wo großartige Gewinne gemacht würden. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sagte: "Die FDP muss langsam erkennen, dass sie nicht mehr in der Opposition ist." Es reiche nicht mehr aus, Überschriften vorzutragen.Am Freitag wollen die Unterhändler über die Finanzsituation der GKV beraten und dazu auch den Präsidenten des Bundesversicherungsamts, Josef Hecken, laden.

© SZ vom 08.10.2009/jap - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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