Neuer VW-Aufsichtsratschef:Volkswagen setzt auf den Falschen

Volkswagen - Jahrespressekonferenz

Der neue VW-Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch

(Foto: picture alliance / dpa)

Er war zwölf Jahre Volkswagen-Vorstand - jetzt wird Hans Dieter Pötsch Chef-Aufseher. Damit vergibt der Konzern eine große Chance.

Ein Kommentar von Caspar Busse

Am Ende haben sie sich mal wieder durchgesetzt, die Familien Porsche und Piëch. Sie wollen den bisherigen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch als neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats und sind einfach nicht bereit, von diesem Plan abzurücken. Dabei haben das Land Niedersachen und die Vertreter der Arbeitnehmer ernste Bedenken dagegen. Auch von Investoren kommt massive Kritik - zu Recht. Doch den Porsches und Piëchs ist das egal.

Die Personalie Pötsch ist das falsche Signal. Dafür gibt es vier wichtige Gründe.

Erstens ist mit Hans Dieter Pötsch einfach kein glaubwürdiger Neuanfang bei Volkswagen möglich. Den aber braucht der schwer angeschlagene Autohersteller aus Wolfsburg nun. Der Österreicher Pötsch ist seit zwölf Jahren Mitglied des Vorstands, er war ein enger Vertrauter von Vorstandschef Martin Winterkorn. Auch wenn der Finanzmann nicht direkt für Motoren und Entwicklung zuständig war, trägt er als langjähriges Mitglied des engsten Führungszirkels eine Mitverantwortung für alles, was passiert ist. Wie soll ein Mann wie Pötsch ohne Vorbehalte aufklären, was seine engsten Kollegen um ihn herum jahrelang getan haben?

Affäre könnte auch Pötsch noch einholen

Zweitens könnte die Abgasaffäre auch Pötsch noch einholen. Hat VW rechtzeitig die Finanzmärkte gewarnt? Ist der Konzern seinen Informationspflichten zu jeder Zeit nachgekommen? Oder können Anleger angesichts des enormen Verfalls der Aktie Schadenersatzansprüche geltend machen? Sollten hier Zweifel aufkommen, stünde Pötsch im Feuer. Aber VW braucht gerade in dieser verzweifelten Lage einen starken Chefaufseher, der nicht angreifbar ist und über den Dingen steht.

Drittens widerspricht die Berufung von Pötsch den Regeln der guten Unternehmensführung (Corporate Governance). Danach sollen Vorstände nicht in den Aufsichtsrat wechseln, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Und wenn, ist vor einem Wechsel eine zweijährige Wartezeit vorgegeben, zum Abkühlen, wie es heißt. Ein direkter Sprung an die Spitze des Aufsichtsrats ist ein Unding - wenn auch unter bestimmen Voraussetzungen rechtlich möglich.

Viertens wäre die Berufung eines neuen, unabhängigen Chefaufsehers, der von außen kommt, ein wichtiges Zeichen gewesen, dass es Volkswagen wirklich ernst meint mit der tabulosen Aufarbeitung der Krise. Es wäre ein Signal für die Öffentlichkeit, für die Mitarbeiter, für die Behörden in den USA und nicht zuletzt auch für die Börsen. Die Chance ist vertan. Jetzt bleiben Zweifel, und die sind Gift beim Wiederherstellen der Glaubwürdigkeit.

So bleibt alles beim Alten. Welche Ausmaße muss die Krise bei VW eigentlich noch annehmen, bis die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch begreifen, dass sie ihren Streit begraben und Zeichen setzen müssen? Sie kontrollieren zwar die Mehrheit an VW, aber sie können diesen Weltkonzern mit mehr als 600 000 Mitarbeitern nicht mehr wie einen kleinen Mittelständler führen. Sie müssen sich öffnen und Macht abgeben. Es ist Zeit für einen Neuanfang, und zwar so schnell wie möglich. Es steht viel auf dem Spiel.

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