Süddeutsche Zeitung

Neuer Job bei der Bahn:Der andere Pofalla

Lesezeit: 2 min

Von Daniela Kuhr

Wenn man bedenkt, welchen Wirbel er zu Beginn des Jahres gemacht hat, ist es um Ronald Pofalla, 55, erstaunlich ruhig geworden. Der frühere Kanzleramtsminister ist regelrecht abgetaucht.

Vermutlich sind den meisten Menschen nur zwei Dinge in Erinnerung: Erstens seine Verbalattacke gegen den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Er könne dessen "Fresse nicht mehr sehen", hatte Pofalla gesagt, als Bosbach gegen das Rettungspaket für Griechenland stimmen wollte. Und zweitens natürlich sein Wechsel zur Deutschen Bahn. Als das vor Jahresfrist bekannt wurde, war die Öffentlichkeit erkennbar empört.

Bahnchef Grube hatte wohl genau einen Menschen zu viel eingeweiht

Offiziell wollte Pofalla sich dazu nicht äußern. Was könnte er auch sagen? Würde er behaupten, die Empörung hätte ihn überrascht, stünde er da, wie jemand, dem es an Feingefühlt mangelt. Würde er dagegen sagen, sie hätte ihn nicht überrascht, fühlten sich alle bestätigt, die die Sache anrüchig fanden.

Dabei ist der Wechsel in Wahrheit natürlich lang nicht so dubios wie manch anderer Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft. Denn immerhin geht Pofalla zu einem hundertprozentigen Staatskonzern. Man muss sich also nicht fragen, ob er sich womöglich schon als Kanzleramtsminister für die Bahn eingesetzt hat. Selbstverständlich hat er das, und das noch nicht mal heimlich. Nach dem Willen der Kanzlerin zählte das klar zu seinen Aufgaben.

Es war denn wohl auch eher etwas anderes, was die Öffentlichkeit ihm übel nahm. Als Mitte Dezember 2013 bekannt wurde, dass Pofalla der neuen Bundesregierung völlig überraschend nicht mehr angehören würde, wurde das damit begründet, dass er mehr Zeit für sein Privatleben haben wollte. Dabei wusste Pofalla damals schon, dass er zur Bahn wechseln würde, auch wenn es bis dahin zwischen ihm und Bahnchef Rüdiger Grube nicht viel mehr als einen Handschlag gegeben hatte.

Die beiden hatten vereinbart, eine gewisse Karenzzeit vergehen zu lassen, bis sie die Sache offiziell machen wollten. Dass das gründlich schief ging, weiß man inzwischen. Vermutlich hatte der leutselige Bahnchef genau einen Menschen zu viel eingeweiht.

Pofalla will mehr Zeit

Dabei stimmt es tatsächlich: Pofalla erhofft sich mehr Zeit, wenigstens ein kleines bisschen. Schließlich hatte er im Kanzleramt während Eurokrise und Wahlkampf sieben Tage die Woche fast rund um die Uhr gearbeitet. Bei der Bahn dagegen stehen seine Chancen gut, dass zumindest mal ein Wochenende frei ist.

Pofalla, der bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich hat, möchte im kommenden Jahr seine Lebensgefährtin heiraten. Es könnte seine letzte Chance sein, eine Familie zu gründen. Denn, auch wenn das nicht in das Bild des rüpelnden Politikers passt: Pofalla ist ein Familienmensch - der sich sehr um seine früh an Krebs erkrankte Mutter gekümmert hat und dem Kinder wichtig sind.

Pofalla tut gern so, als sei ihm egal, was die Öffentlichkeit von ihm denkt. Dass das nicht stimmt, kann man daran sehen, dass er einem schon mal den Tipp gibt, bei dem Berliner Verein Straßenkinder e.V. anzurufen. Dort zeichnet der Vereinsvorsitzende ein völlig anderes Bild von dem umstrittenen Politiker.

Es scheint ihn tatsächlich zu geben, diesen anderen Pofalla. Den, der nachts beim Joggen in Berlin unter einer Brücke auf obdachlose Jugendliche trifft, der angesichts des bedrohlichen Zustands den Notarzt ruft und der sich seither intensiv um den Verein kümmert. Pofalla ist nicht nur Anwalt, sondern auch Sozialpädagoge. Offiziell will er sich zu nichts äußern. Vielleicht weil er überzeugt ist, ohnehin falsch verstanden zu werden.

Nach 24 Jahren im Bundestag hat Pofalla sein Abgeordnetenbüro im Jakob-Kaiser-Haus geräumt. Am 2. Januar tritt er jetzt sein neues Amt als Generalbevollmächtigter der Bahn an.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2014
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