Neuer Handelskrieg:Obama legt sich mit China an

Die USA haben einen Schutzzoll gegen Billigimporte aus China verhängt. Die Regierung in Peking protestiert massiv, spricht von einem "ernsten Fall von Protektionismus" - und kündigt Vergeltung an.

M. Koch, New York

Die Regierung von Präsident Barack Obama entschied am Freitagabend, chinesische Autoreifen von Ende September an mit einer 35-prozentigen Einfuhrsteuer zu belegen. Bisher hatte der Zoll nur fünf Prozent betragen. Ein Sprecher des Weißen Hauses begründete diesen drastischen Schritt damit, dass die amerikanische Reifenindustrie vor eindeutigen Beeinträchtigungen durch die günstigere Konkurrenzware aus China geschützt werden müsse.

Die Gewerkschaft der Stahlarbeiter und Zuliefererfirmen hatten die Regierung seit Monaten zum Handeln gedrängt. Ihren Angaben zufolge verdreifachten sich die Reifenimporte aus China von 2004 bis 2008 auf 46 Millionen Stück. Mehr als 5000 Arbeiter in der Industrie hätten dadurch ihren Job verloren.

Kettenreaktion im Welthandel

Die neue Importbeschränkung richtet sich ausdrücklich nicht gegen andere Produktgruppen oder andere Länder. Dennoch könnte sie weltweit eine Debatte um den Freihandel auslösen und so das Treffen in der kommenden Woche in Pittsburgh überschatten, auf dem die Staats- und Regierungschefs wichtiger Industrie- und Schwellenländer eigentlich über die Lehren aus der Finanzkrise beraten wollten.

Das chinesische Handelsministerium warf der Regierung in Washington vor, sich abschotten zu wollen. Die Zölle könnten eine Kettenreaktion im Welthandel auslösen und die Erholung von der globalen Krise verlangsamen. Obamas Sprecher Robert Gibbs versuchte zu beruhigen und sagte, es würde nur geltendes Recht umgesetzt. Er rechne nicht damit, dass sich daraus ein Handelskrieg entwickle.

Spannungen mit Kanada

Doch die Angst vor einer Rückkehr des Protektionismus ist in vielen exportorientierten Ländern groß, gerade auch in Deutschland, wo Großkonzerne und hochspezialisierte Mittelständler die ausländischen Absatzmärkte benötigen. In der deutschen Metall- und Elektroindustrie etwa hängen zwei Drittel der Arbeitsplätze am Export. Unternehmer beobachten mit Sorge, dass in vielen Ländern die Bereitschaft zur Abschottung gestiegen ist, seit die Weltkonjunktur vor einem Jahr abstürzte.

Die neuen Machthaber in Washington wecken nicht zum ersten Mal den Verdacht, den Protektionismus aufleben zu lassen. Der von Obamas demokratischer Partei dominierte Kongress stoppte ein Freihandelsabkommen mit Kolumbien, dem traditionell wohl engsten Verbündeten der USA in Lateinamerika. Zudem schleusten die Abgeordneten eine "Buy-American"-Kausel in das Konjunkturprogramm, in dem sich die USA gegen die Rezession stemmen. Das erzeugte vor allem Spannungen mit Kanada, doch auch deutsche Firmen klagten öffentlich über Benachteiligungen auf dem amerikanischen Markt. Eliot Cohen, der Chefberater der früheren Außenministerin Condoleezza Rice, sagte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, wegen der protektionistischen Bestrebungen könne "Obama für die Europäer unangenehmer werden als Bush".

Auf der nächsten Seite: Peking bleibt in Alarmbereitschaft - und kündigt Gegenmaßnahmen an.

Peking in Alarmbereitschaft

Enormes Handelsdefizit

Die USA erwirtschaften seit 1991 ein enormes Handelsdefizit. Unter der Flut der Einfuhren leiden vor allem amerikanische Industrieunternehmen und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Um diese für sich zu gewinnen, hatte Obama im Wahlkampf versprochen, das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta neu auszuhandeln. Auch China ermahnte er mehrfach, sich an geltendes Handelsrecht zu halten. Kurz nach Obamas Amtsantritt warf Finanzminister Timothy Geithner den Chinesen vor, sich durch Währungsmanipulation einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Später relativierte Geithner seine Aussagen.

Auch Obama änderte seine Rhetorik und rief dazu auf, die Prinzipien des freien Handels auch in Krisenzeiten zu beachten.

Doch Peking bleibt in Alarmbereitschaft. Am Sonntag kündigten die Chinesen bereits Gegenmaßnahmen an. Die chinesische Regierung meldete, sie prüfe Anti-Dumping-Zölle gegen amerikanische Autoteile sowie gegen Geflügelprodukte. Die Welthandelsorganisation WTO hatte in den vergangenen Monaten immer wieder vor neuen Handelskriegen gewarnt. Solche Auseinandersetzungen gefährdeten die Erholung der Weltkonjunktur, sagten die Wirtschaftsexperten dazu in Genf.

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