Süddeutsche Zeitung

Neuer Geschäftszweig von Dallmayr:Goldgrube Kaffeekapsel

Gefährlich werden konnte Nestlé mit seinen Nespresso-Kaffeekapseln bisher kaum ein Konkurrent, Nachahmer scheiterten teilweise sogar an der Technik. Ins Geschäft drängt nun ausgerechnet das Münchner Unternehmen Dallmayr - an dem der Schweizer Konzern beteiligt ist.

Von Nakissa Salavati

Muckefuck. Dieses Wort fällt heute nur noch dann, wenn Großeltern vom Krieg erzählen. Muckefuck, das ist Kaffee-Ersatz aus Getreide, der so schmeckt, wie er heißt. Die Zeit der Entbehrung ist lange vorbei, selbst echten Filterkaffee halten viele Menschen für gestrig. Stattdessen heißt der Kaffee vieler Deutscher heute "Capriccio" oder "Bukeela ka Ethiopia". Der Kaffee aus bunten Kapseln soll tatsächlich so schmecken, wie er heißt, exotisch und kräftig. Jedenfalls bewirbt Marktführer Nestlé seine Marke Nespresso, als handle es sich um seltene, edle Weine. Da ist von einem "ausgewogenen Bouquet und leichter Säure" die Rede, von "wilden Noten von Moschus und Holz". Edel ist auf jeden Fall der Preis: Die Kapseln mit je sechs Gramm Kaffee kosten zwischen 35 und 40 Cent - hochgerechnet auf ein Pfund sind das etwa 30 Euro. 500 Gramm Filterkaffee bekommt man bereits für ein paar Euro.

Der hohe Kapselpreis hält jedoch wenige Kunden ab, im Gegenteil: Er verspricht Exklusivität. Im vergangenen Jahr ist der gesamte Markt für portionierten Kaffee in Deutschland um 27 Prozent gewachsen, zeigt eine Auswertung des Deutschen Kaffeeverbands. 12 700 Tonnen Kaffeekapseln haben die Deutschen demnach gekauft. Nestlé hat sich das System der teuren Mini-Päckchen mit vergleichsweise günstiger Maschine zwar ausgedacht, doch die Konkurrenz hat längst nachgezogen: Jacobs-Kaffee von Mondelēz (ehemals Kraft Foods) und Master Blenders, denen Senseo gehört, haben ebenso wie Tchibo Nachahmer für je etwa 30 Cent pro Kapsel entwickelt.

Lidl zog mit einer Billig-Kapsel nach, und auch Aldi Süd hat die Technik im Herbst 2013 sozusagen demokratisiert. Mit je 20 Cent sind die Kapseln halb so teuer wie die Nespresso-Hülsen. Trotzdem: Bislang sei der Erfolg der Konkurrenten überschaubar, heißt es beim Kaffeeverband. Jetzt gibt es aber einen neuen Angreifer, einen mit großer Kaffee-Geschichte.

Das Münchner Delikatessenunternehmen Dallmayr steigt im August mit sechs Sorten Kapselkaffee ein. Das Haus kennen viele außerhalb Bayerns vor allem wegen des über die Jahre gleich gebliebenen Werbespots für die Kaffeelinie Dallmayr Prodomo: Klaviermusik, Verkäuferinnen in gestärkten Schürzen, gediegene Bürgerlichkeit. Was wohl wenige wissen: Bundesweit bekannt und zum viertgrößten Kaffeeunternehmen Deutschlands geworden ist Dallmayrs Kaffeegeschäft ausgerechnet durch Nestlé Deutschland, Tochter der Nespresso-Macher. Der Schweizer Konzern beteiligte sich 1985 zur Hälfte an der Kaffeesparte von Dallmayr und übernahm den Vertrieb, während die Münchner Entwicklung und Produktion behielten. Mittlerweile macht Dallmayr mit seiner Kaffeesparte 540 Millionen Euro Umsatz - deutlich mehr als mit seinen Delikatessen oder Kaffeeautomaten für Firmen.

Der Preis ist nicht so wichtig wie das Image

Nestlé gehören heute nur noch 25 Prozent. Der Konzern hat nach eigenen Angaben daher auch keinen Einfluss auf die Entscheidung Dallmayrs, ins Kapselgeschäft einzusteigen. "Wir haben Nestlé informiert", ist alles, was Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsführung von Dallmayr-Kaffee, dazu sagt. Wenn er von der Konkurrenz spricht, nennt er vor allem Jacobs-Kaffee.

Aber natürlich ist Nespresso Teil des Plans: So meidet Dallmayr die direkte Konkurrenz, indem es die Kapseln nicht wie Nespresso ausschließlich über eigene Läden verkauft, sondern in Supermärkten. Dort allerdings muss sich Dallmayr mit der Konkurrenz von Mondelēz oder Master Blenders messen - und entsprechend den Preis anpassen. Eine Dallmayr-Packung mit zehn Espresso- oder Lungo-Kapseln wird knapp drei Euro kosten, also je 30 Cent. "Wir wissen, dass im Supermarkt in dieser Sparte drei Euro die Schallmauer für jedes noch so gute Produkt ist", sagt Dengler.

Trotzdem: der Kunde werde nicht über den Preis gewonnen, sagt Dengler. Andere Faktoren sind wichtiger, im Falle Nespressos zum Beispiel das exklusive Image. Dallmayrs Einstieg ins Kapselgeschäft könne durchaus funktionieren, sagt der Hirnforscher und Unternehmensberater Hans Georg Häusel: Kunden brächten die Marke emotional mit Kaffeekompetenz und Hochwertigkeit in Verbindung. Vor allem aber kommt Dallmayr - im Gegensatz zu anderen Konkurrenten - der Nespresso-Kapsel aus Aluminium funktional gefährlich nahe. Die Kunststoff-Hüllen von Jacobs-Kaffee etwa müssen zusätzlich einzeln in Folie verpackt werden, um das Aroma zu bewahren. Die Münchner hingegen haben einen besonderen Kunststoff entwickelt, der gasundurchlässig ist: Der Kaffee altert angeblich auch ohne Zusatzfolie nicht. Die Kapseln passen so auch in Packungen, die deutlich kleiner sind als die der Konkurrenten - entsprechend mehr von ihnen lassen sich in ein Supermarktregal stapeln.

4000 Tonnen Müll durch die Alu-Verpackung

Ganz ohne Aluminium kommt Dallmayr zwar nicht aus, allerdings benötige man pro Kapsel 85 Prozent weniger als Nespresso, behauptet das Unternehmen. Umweltfreundlich ist das Produkt dadurch freilich nicht, es landet nach einmaligem Gebrauch im Hausmüll. Insgesamt würden durch den Kapsel-Verbrauch der Deutschen in diesem Jahr in etwa 4000 Tonnen Müll entstehen, schätzte die Welt im Januar. Aluminium lässt sich zwar recyceln, kostet in der Herstellung aber viel Energie.

Ohne das Material würden die Dallmayr-Kapseln nicht einwandfrei funktionieren. Dass sie das tun, zeigt Dallmayr-Manager Dengler an einem der Automaten im Stammhaus in der Dienerstraße nördlich vom Münchner Marienplatz. Er wirft die Kapsel in die Öffnung, in die Tasse fließt Sekunden später ein dunkler Espresso mit Crema - eben genau wie in der Nespresso-Werbung. Selbstverständlich ist das nicht: Lidl-Kapseln etwa machten der Nespresso-Maschine zu Beginn Probleme, der Discounter musste eine verbesserte Version nachlegen. An der neuen Generation der Nespresso-Maschinen scheitere wiederum die Jacobs-Kapsel, und auch Lidl habe erneut Probleme, schrieb die Welt kürzlich.

Damit das nicht passiert, hat sich Dallmayr Zeit genommen: Mehr als drei Jahre haben die Münchner die Kapseln mit einem Projektteam von etwa 30 Leuten entwickelt und insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag investiert - genauer will Dallmayr-Manager Dengler nicht werden. Bescheiden jedenfalls gibt man sich in München nicht: Deutschland ist erst der Anfang, der Test sozusagen. Dallmayr plant langfristig den Einstieg in Frankreich, denn: Die Franzosen lieben Kaffeekapseln noch mehr als die Deutschen. Für Nestlé ist das Land einer der Hauptmärkte, 85 Prozent aller Kapseln, die dort verkauft werden, stammen von Nespresso.

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SZ vom 28.05.2014/sana
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