Neuer französischer Wirtschaftsminister:Lässiger Mozart aus dem Élysée-Palast

Newly-named French Economy Minister Emmanuel Macron delivers a speech during the official handover ceremony at the Bercy Finance Ministry in Paris

Hat selbst für einen Absolventen der Eliteschule Ena einen außergewöhnlichen Lebenslauf: Frankreichs neuer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron.

(Foto: Reuters)

Er könnte den Präsidenten bald überstrahlen: Frankreichs neuer Wirtschaftsminister arbeitete einst für die Investmentbank Rothschild - und steht für eine reformfreudige Politik. Doch nicht jeder im Parlament ist froh über den Amtsantritt des 36-jährigen Überfliegers.

Von Leo Klimm, Paris

Ein Laster aus seiner Zeit als Banker hat sich Emmanuel Macron erhalten: Er schmaucht gern Zigarre. Auf dem Fenstersims seines Büros im Élysée-Palast, wo Frankreichs neuer Wirtschaftsminister bis vor Kurzem noch als Berater des Staatspräsidenten arbeitete, hatte er einen Aschenbecher mit einer Zigarre abgestellt, aus der er sich ab und zu einen Zug gönnte. Drinnen, im Büro, stapelten sich all die Akten zur Rettung der französischen Industrie und viele Wirtschaftsbücher. Ganz oben auf dem Stapel: Der Schmöker "L'Allemagne paiera" - "Deutschland wird blechen".

Der Buchtitel ist ironisch gemeint, als Anspielung auf die trügerische Hoffnung, Euro-Partner Deutschland werde Frankreich die Sozialreformen ersparen; der Titel ist nah an Macrons Sicht der Dinge: "Wir müssen uns reformieren, daran führt kein Weg vorbei. Sonst entsteht ein dauerhaftes Ungleichgewicht mit Deutschland", sagte Macron vor einigen Wochen.

Doch auch wenn er sich zu den Pflichten des eigenen Landes bekennt, so richtet Macron auch Forderungen an Berlin: "Um Europa aus der Krise zu holen, muss Frankreich monetaristischer werden und Deutschland keynesianischer." Anders ausgedrückt: Frankreich solle deutscher werden, mehr auf Haushaltsdisziplin achten. Aber Deutschland zugleich französischer, investitionsfreudiger, undogmatischer.

Damit umschreibt der 36-jährige Shootingstar der französischen Politik seine Mission: Der ehemalige Investmentbanker soll mit unternehmensfreundlichen Reformen zeigen, dass Präsident François Hollande ernsthaft bemüht ist, das Land wieder aufzurichten - im Gegenzug soll er in Brüssel und Berlin dafür um Nachsicht werben, dass Paris 2015 abermals die EU-Defizitregeln brechen wird.

Hollande holte mit Macron einen langjährigen Vertrauten

Den unverhofften Aufstieg zu Hollandes Schlüsselminister hat Macron seinem Amtsvorgänger Arnaud Montebourg zu verdanken. Der Linkssozialist hatte kritisiert, dass Hollandes Reformkurs Frankreich nicht aus der Krise führe; Montebourg, der linke Quertreiber, hatte außerdem eine wirtschaftspolitische Konfrontation mit Deutschland gefordert. Mit ungewohnter Entschlossenheit servierte Hollande Montebourg daraufhin ab und berief stattdessen am Dienstagabend Macron.

Der Präsident tauscht damit einen parteiinternen Rivalen gegen einen langjährigen Vertrauten aus. Er ersetzt den Provokateur Montebourg, der offen Ambitionen aufs Präsidentenamt gehegt hatte, durch einen stets gelassenen jungen Mann, der Schwiegersohn-Charme besitzt. Man darf erwarten, dass er mit seiner fast aufreizender Lässigkeit den blassen Präsidenten, ähnlich wie der charismatische Montebourg, schnell überstrahlen wird.

Der Wechsel bedeutet eine 180-Grad-Wende an der Spitze des Wirtschaftsressorts: von einem ausgabenorientierten Linken hin zu einem liberalen Salonsozialisten. Ausgerechnet ein früherer Partner des feinen Pariser Geldhauses Rothschild soll es richten für Hollande, der als erklärter "Feind der Hochfinanz" angetreten war. Macron suchte schon vor drei Jahren die Nähe zu den Sozialisten. Im Vorwahlkampf 2011, als er noch bei Rothschild war, engagierte er sich für Hollande, weil er sich von ihm eine sozialdemokratische Erneuerung Frankreichs versprach. "Geld", sagte der Banker mit den Millionenbezügen, "darf nicht die eigene Identität bestimmen."

Sein Lebenslauf ist außergewöhnlich

Macron hatte in der Zeit zwei Jobs: einen bei Rothschild, wo er kurz vor der Präsidentenwahl noch einen Milliardendeal zwischen den Weltkonzernen Nestlé und Pfizer arrangierte; und einen als Hollande-Berater. Abends traf er sich mit anderen Experten wie dem Harvard-Ökonomen Philippe Aghion in der Pariser Nobel-Brasserie "La Rotonde", um das Wirtschaftsprogramm des künftigen Präsidenten zu beeinflussen. Oder er flog heimlich nach Berlin, um bei Kanzlerinnenberater Nikolaus Meyer-Landrut um Vertrauen für Hollande zu werben - mit mäßigem Erfolg.

Als die Wahl 2012 gewonnen war, gab Macron seinen Job bei Rothschild auf und wechselte in den Präsidialstab. Einige Minister nannten ihn "den Mozart aus dem Elysée", so wunderknabenhaft kam er ihnen vor. In der Tat ist sein Lebenslauf selbst für einen Absolventen der französischen Eliteschule Ena außergewöhnlich. Vor seiner Karriere als Banker war Macron auch Assistent des bekannten Philosophen Paul Ricoeur und Spitzenbeamter im Finanzministerium. Wenn Zeit bleibt, frönt Macron dem Kampfsport Savate, einer französischen Spielart des Kickboxen.

Vor ein paar Wochen erst hatte Macron seinen Beraterjob im Élysée an den Nagel gehängt. Er brauche, hieß es, Zeit für private Projekte und für seine Frau - seine frühere Französischlehrerin am Gymnasium. Allerdings wird ihm in Paris auch nachgesagt, er habe sich übergangen gefühlt, weil Hollande ihn bei der letzten Kabinettsumbildung im Frühjahr nicht zum Minister ernannt habe.

Bei der Amtsübergabe an diesem Mittwoch spielte Macron die weltanschaulichen Gegensätze mit seinem Amtsvorgänger herunter: Montebourg und er gehörten "zur selben Familie". Doch das Programm, das er jetzt umsetzen will, ist genau jenes, das Montebourg abgelehnt hat. Macron kennt es auswendig - er hat es zu Jahresanfang größtenteils selbst entworfen: Frankreichs Unternehmen will er um 30 Milliarden Euro entlastet. Mindestens 50 Milliarden sollen bis 2017 im Staatshaushalt eingespart werden. Macron hält eigentlich sogar 90 Milliarden Euro für nötig, aber so weit lässt Hollande ihn nicht gehen. Selbst wiederholte Nullrunden für Frankreichs Beamte hält Macron für vertretbar.

Macron will die Sozialauflagen für Firmen entschlacken

Zugleich will er die Wirtschaft entlasten - die Arbeitslosigkeit in Frankreich befindet sich gerade auf einem Rekordhoch: Wie das Arbeitsministerium in Paris am Mittwochabend mitteilte, sind gegenwärtig 3,4 Millionen Menschen im Land ohne Job. Den dicken Katalog an Sozialauflagen für Firmen, die mehr als 49 Mitarbeiter beschäftigen, will Macron entschlacken. Diese Auflagen gelten als ein Grund, warum Frankreich keinen starken Mittelstand hat. "Wir müssen das Vertrauen zurückgewinnen, das unsere Partner, die Investoren, und das Ausland in unser Land haben. Und wir müssen auch das Vertrauen der Franzosen in sich selbst wiederherstellen", sagt Macron. Ob die EU-Partner wiederum Vertrauen in Macron haben, dürfte sich schon bei seiner ersten Reisen nach Berlin zeigen.

Die innenpolitischen Reaktionen über seine Ernennung zeigen, wie gespalten Frankreich ist. Während der Arbeitgeberpräsident Macron als Mann lobt, der "etwas von Unternehmen, Wirtschaft und Globalisierung versteht", fallen Rechts- und Linksextreme über ihn her. Der linke Flügel der eigenen Partei spricht von "lachhafter Provokation" durch einen, der nicht einmal ein Wahlmandat besitze.

Der Mann, dem bisher alles gelang im Leben, steht vor seiner größten Aufgabe. Er muss ein von steigender Arbeitslosigkeit und Nullwachstum verunsichertes Land reformieren. Und das gegen einen Teil der eigenen Partei - die nun einen starken Anführer hat: seinen Vorgänger Montebourg.

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