Neuer Allianz-Chef:Bäte schweigt sich an die Spitze

Diekmann, CEO of insurer Allianz and Baete pose before company's annual news conference in Munich

Der neue und der alte Chef: Oliver Bäte (li.) und Michael Diekmann.

(Foto: Michaela Rehle/REUTERS)

Er ist der Neue: Oliver Bäte löst Michael Diekmann an der Spitze der Allianz ab. Bäte hat sich mit öffentlichen Äußerungen zuletzt zurückgehalten. Das klang schon mal ganz anders.

Von Herbert Fromme

In den vergangenen zwei Jahren hat sich Oliver Bäte, 49, mit öffentlichen Äußerungen, Interviews und Pressekommentaren deutlich zurückgehalten. Der frühere McKinsey-Berater wusste: was immer er sagt, könnte ihm im Kampf um die Allianz-Führung schaden. Das Schweigen war erfolgreich. Bäte wird nach der Hauptversammlung am 6. Mai 2015 Chef des Konzerns, Amtsinhaber Michael Diekmann zieht sich zurück.

Vor fünf Jahren hatte Bäte sein Temperament noch nicht so im Griff. Im Juni 2009, nach nur 18 Monaten bei der Allianz, holte er auf einer Fachkonferenz vor Versicherungsmanagern zu einem Rundumschlag aus. "Von allen Branchen, die ich gesehen habe, hat die Versicherung die schlechteste Produktivität", sagte er damals. "Viele der operativen Prozesse stammen aus den 1950er Jahren." Ein Beispiel sei die Tatsache, dass die Versicherer in sehr teuren Gebäuden mitten in den Innenstädten sitzen. "Die Manager lieben es, in komfortablen Büros in der Nähe der Oper zu arbeiten", sagte er. Das führe zu vergleichsweise hohen Gehaltsniveaus, weil die Lebenshaltungskosten für die Mitarbeiter in den großen Städten teuer sein.

Bäte hat klare Vorstellungen, wo es hingehen soll

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass sich die Mitarbeiter der Allianz in der Münchener Königinstraße jetzt auf den Umzug in die Provinz vorbereiten müssen. Aber Bäte hat immer noch sehr klare Auffassungen über die Zukunft des Konzerns - das wird die Gruppe spüren.

Die Allianz steht aktuell bärenstark da. Der operative Gewinn wird 2014 wahrscheinlich über 10 Milliarden Euro betragen, die Marktführerschaft in wichtigen Märkten ist gesichert. Doch krisenfrei ist das Unternehmen nicht. Die Turbulenzen um den US-Vermögensverwalter Pimco, dessen Gründer und langjähriger Chefinvestor Bill Gross in der vergangenen Woche überraschend ausschied, sind das aktuellste Beispiel. Die US-Versicherungstochter Fireman's Fund hat große Probleme und soll zerlegt werden. Die politische Lage in Rußland und Osteuropa wirkt sich auf Versicherer wie die Allianz aus.

Er muss die Mitarbeiter gewinnen

Die niedrigen Zinsen wirken sich auch auf die Allianz aus, dazu kommt die dringende Aufgabe, den Konzern fit zu machen für das digitale Zeitalter. Genug Arbeit für den Mann, der schon in seiner Zeit bei McKinsey vor allem Versicherungsunternehmen beriet und eine tiefe Kenntnis der Branche hat. Erfolg kann er aber nur haben, wenn er die Allianz-Mitarbeiter für sich gewinnt. Da gibt es viele, die Vorbehalte haben und sich lieber einen in der Wolle gefärbten Versicherer gewünscht hätten als einen Manager, der seine wichtigsten Erfahrungen als Unternehmensberater gemacht hat.

Gut klarkommen wird Bäte mit den Großanlegern, die Allianz-Aktien halten. Mit den Entscheidern bei Investmentgiganten wie Black Rock, UBS oder Vanguard versteht sich Bäte gut, wenn er in ausgezeichnetem Englisch erklärt, wie sich der Konzern seiner Ansicht nach entwickeln muss.

Große Überraschungen en passant

Eine große Überraschung lieferte der Allianz-Aufsichtsrat quasi en passant. Er ernannte den Italiener Sergio Balbinot zum Mitglied des Vorstands der Muttergesellschaft Allianz SE. Balbinot, 56, ist bislang im Vorstand des italienischen Versicherungsgiganten Generali tätig. Dort verantwortet er als Chief Insurance Officer das operative Versicherungsgeschäft. Es ist kein Geheimnis in der Branche, dass Balbinot und Generali-Konzernchef Mario Greco sich nicht sehr gut verstehen. Greco unterzieht die Generali einem radikalen Umbauprogramm, dabei fühlte sich Balbinot mehr als einmal übergangen.

Balbinot ist ein großer Gewinn für die Allianz - der Mann kennt sich in der Branche weltweit und in Deutschland sehr gut aus, schließlich war er lange Jahre für die deutschen Generali-Töchter verantwortlich. Er spricht ausgezeichnet Deutsch.

Und was macht Michael Diekmann?

Amtsinhaber Michael Diekmann, 59, zieht sich mit der Hauptversammlung 2015 zurück - und will zwei Jahre später für den Aufsichtsrat kandidieren. Darum habe ihn eben dieses Gremium am Donnerstag gebeten, teilte die Allianz mit. Diekmann soll Vorsitzender der Aufseher werden, der heutige Vorsitzende und Diekmann-Freund Helmut Perlet muss dann aus Altersgründen ohnehin ausscheiden. Dass Diekmann jetzt als Konzernchef aufhört, hat auch mit seinen Plänen für den Aufsichtsrat zu tun. Die Allianz achtet sehr darauf, dass Manager beim Wechsel aus der operativen Rolle in die Aufsichtsposition die von der Bundesregierung empfohlene zweijährige Wartezeit einhalten.

Diekmann hat mit seiner Entscheidung, die Top-Position bei der Allianz aufzugeben, viele Kommentatoren verblüfft, die sicher von einer Vertragsverlängerung über mindestens zwei, drei Jahre ausgingen. Diekmann hat sich immer die innere Freiheit erhalten, jederzeit aus dem Job ausscheiden zu können - er hat ein Leben außerhalb der Allianz. Vor einigen Jahren hat er erneut geheiratet und mit seiner zweiten Frau ein Kind. Mit der Familie will er künftig mehr Zeit verbringen.

Es bleibt aber genügend Luft für Aufsichtsratsmandate - er sitzt schon in den Gremien bei BASF, Linde und Siemens sowie bei mehreren Allianz-Konzerngesellschaften. Weitere Mandate dürften hinzukommen.

Markus Rieß bleibt Deutschlandchef

Wie ein Verlierer sieht Markus Rieß aus, Chef der größten Allianz-Tochter in Deutschland. Er galt lange Zeit als Bätes Rivale um die Konzernspitze, ist jetzt aber nicht einmal in die oberste Führung - den Vorstand der Allianz SE - aufgerückt. Das muss Rieß nicht schaden. Er hat in Deutschland bemerkenswerte Erfolge erzielt und sich die Unterstützung seiner Mannschaft gesichert, obwohl auch Rieß kein einfacher Vorgesetzter ist. Bei der Allianz wird die Top-Führung in Bewegung bleiben, und auch der neue Chef Bäte weiß, dass ein erfolgreicher Deutschlandchef langfristig kaum zu übergehen ist.

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