Süddeutsche Zeitung

Neue Technologien:Alles eine Frage der Gestaltung

Digitalisierung ist keine Naturgewalt, sagt Julian Nida-Rümelin. Niemand braucht davor Angst zu haben.

Von Nils Wischmeyer, Berlin

Im Film "I, Robot" sieht sich Will Smith einer riesigen Armee von Robotern gegenüber, alle bereit, die Weltherrschaft an sich zu reißen, und in "Matrix" ist der Mensch nur noch ein kümmerlicher Rest seiner selbst: Die Maschinen, sie kontrollieren ihn längst vollständig.

Es sind solche Szenen aus Hollywoodfilmen und Meldungen wie "80 Prozent aller Jobs werden von Robotern übernommen", die man in Deutschland oft mit der Digitalisierung verbindet und die eines hervorrufen: Angst. Angst vor der Zukunft, Angst davor, nicht mehr gebraucht zu werden, Angst, durch eine Maschine ersetzt zu werden. Doch ist das gerechtfertigt - und zerstört die Digitalisierung am Ende wirklich unsere Gesellschaft?

Für Julian Nida-Rümelin ist die Antwort sehr einfach: Nein. Der Philosoph, Professor an der LMU München und frühere Kulturstaatsminister in der Regierung Schröder verfolgt die Diskussion genau, vor wenigen Wochen kam auch sein Buch "Digitaler Humanismus" auf den Markt. Im Prinzip, so sagt er, sehe man in der Debatte etwas, das zuvor schon in der Biologie zu beobachten war, in der Diskussion um die Genforschung: Zuerst komme der totale Überschwang, das Versprechen der Erlösung und der Glaube, man werde die Menschheit revolutionieren, etwa durch die Heilung aller Krankheiten in nur wenigen Jahren. Das wiederum schlage dann in totale Angst um, in Hysterie und plötzlich heißt es: Ein Mensch mit veränderten Genen sei kein solcher mehr.

Dasselbe Muster sieht Nida-Rümelin nun auch bei der Diskussion um die Digitalisierung und warnt eindringlich vor Panikmache. Denn in dem Moment, in dem die Rationalität der Angst weiche, büße eine Gesellschaft die Chance auf Mitgestaltung ein. "Es ist keine Welle, die da auf uns zurollt", sagt Nida-Rümelin. "Die Digitalisierung ist etwas, was wir gestalten können."

Wie auch in der Industrialisierung geschehe die Entwicklung nicht von heute auf morgen, sondern über einen langen Zeitraum hinweg, und daran müsse und könne sich eine Gesellschaft anpassen. Das werde zwar - und das zeigten viele Studien - zwangsweise dazu führen, dass viele Arbeitsplätze wegfallen, aber im Gegenzug würden andere entstehen. "Per Saldo wird es keinen Arbeitsplatzverlust geben", prophezeit Nida-Rümelin. Die Angst, so fordert er, müsse daher wieder echter Urteilskraft weichen.

Beispiel künstliche Intelligenz: Zurzeit können einzelne Computer Menschen zwar im Schach oder im Brettspiel AlphaGo schlagen, aber sie könnten einen Menschen niemals ersetzen. Selbst wenn sich das in hundert Jahren ändere, heiße das nicht, dass Computer die Weltherrschaft an sich reißen werden, auch wenn das heute viele Filme und Bücher so darstellen.

Gerade auch deswegen sieht Nida-Rümelin den Hang, Computer und Roboter zu vermenschlichen, extrem kritisch. So stelle man eine Maschine auf Augenhöhe, und das mache Menschen Angst, was nicht förderlich für die Debatte sei. Er fordert deshalb: "Wir müssen aufhören, Maschinen zu mystifizieren. Ansonsten behindern wir eine Entwicklung, die uns zugute kommen kann."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4207139
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.