Neue Richtlinie zum Verbraucherschutz:Eine halbgare Sache

Es kommt vor, dass ein Versicherer einer Studentin, die kaum genug Geld zum Leben hat, eine Lebensversicherung empfiehlt - die Provision lockt. Nun will die EU-Kommission den Verbraucherschutz mit mehreren Richtlinien stärken. Doch Kritiker sind enttäuscht: Sie hatten sich mehr erhofft.

Hannah Wilhelm

Es ist eine hartnäckige Mär: Dass Versicherungsvermittler ihre Kunden kostenlos beraten. Dass sie allein im Sinne des Kunden das beste Produkt auswählen und ihm anbieten. Nach dem Motto: Hauptsache gut versichert. Warum sich diese Vorstellung so lange hält, ist schwer zu verstehen. Denn in Wirklichkeit verdienen Vermittler natürlich Provisionen, oft sehr hohe sogar, mit jedem Abschluss einer Versicherung.

Je höher die Provision ist, die eine Versicherungsgesellschaft dem Vermittler zahlt, desto höher ist selbstverständlich das Interesse des Vermittlers, eine solche Police zu verkaufen. Ein klassischer Interessenkonflikt. Da bekommt schon mal eine Studentin, die kaum genug Geld zum Leben hat, eine Lebensversicherung empfohlen. Oder es werden private Krankenversicherungen vermittelt, bei denen jedoch zentrale Dinge nicht abgedeckt sind. Egal, die Provisionen fließen trotzdem.

Um dem Verbraucher eben diesen Interessenkonflikt aufzuzeigen, wollte die EU-Kommission etwas tun. Der Grundgedanke war, dass die Vermittler in Zukunft beim Abschluss einer Police sagen müssen, wie viel sie daran verdienen. Doch das ist nur in Teilen geglückt.

An diesem Dienstag hat der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier den Entwurf einer Richtlinie vorgestellt. Seit Monaten warteten Experten auf dieses Papier, dass es den Verbrauchern leichter und den Versicherungsvermittlern schwerer machen sollte. Doch Experten sind enttäuscht von dem Ergebnis: "Der Entwurf ist verwässert und bringt dem Verbraucher so kaum etwas. Die Versicherungslobby hat in den vergangenen Monaten ganze Arbeit geleistet und sich leider durchgesetzt", sagt Sven Giegold, Mitglied der Grünen-Fraktion im Europaparlament, verärgert.

Das Ergebnis ist: Nur wer Lebensversicherungen verkauft, wird bald ausweisen müssen, was er daran verdient - wenn die Richtlinie so durchgeht, wie sie vorgestellt wurde. Private Krankenversicherungen oder Sachversicherungen wie Gebäude- oder Hausratsversicherungen können dagegen auch weiterhin erstmal ohne diese Information verkauft werden. Dies soll für eine recht lange Übergangsfrist von fünf Jahren noch möglich sein.

"Zu weich"

Aber auch für die Zeit danach ist die Auflage recht weich formuliert. "Zu weich", kritisiert der Parlamentarier Giegold. Der Vermittler muss dann nicht ganz konkret angeben, wie viel Euro er genau bekommt. Stattdessen genügt es auch, wenn er seine Kalkulationsgrundlagen veröffentlicht - und das auch nur auf Nachfrage des Kunden.

Das Problem: "Sobald sowas nicht in Euro angegeben wird, sondern beispielsweise in Prozent, verstehen es Verbraucher leider oft nicht", erklärt Lars Gatschke von der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Zudem trauten sich viele eben nicht, nachzufragen. Und außerdem besteht die Gefahr, dass nur vage Angaben gemacht werden, wie zum Beispiel: "zwischen drei und zehn Prozent".

Gatschke hätte sich im Interesse der Verbraucher vor allem für die Vergleichsseiten im Internet eine schnellere und härtere Lösung gewünscht. Das Problem dieser Internetseiten: Desöfteren wurden in der Vergangenheit Fälle publik, bei denen die Anbieter solcher Vergleiche von einem Versicherer mehr Vermittlerprovisionen kassierten, als von den anderen und dessen Produkte dann deshalb auf den vorderen Plätzen des scheinbar unabhängigen Vergleichs auftauchen ließen.

"Würde in solchen Fällen daneben stehen, wie viel das Portal bei der Vermittlung welcher Versicherung verdient, könnte sich der Verbraucher sein eigenes Bild machen", erklärt Gatschke, warum er sich mehr von der Richtlinie erhofft hätte. Auch grundsätzlich findet der Verbraucherschützer die Übergangsfrist von fünf Jahren sehr lang: "Es ist suboptimal, da die Branche so Zeit hat, in Ruhe Ausweichreaktionen zu entwickeln."

Ganz verboten werden- wenn es nach der Richtlinie geht - Provisionen nur für Berater, die sich explizit "unabhängig" nennen. Giegold ist skeptisch: "Das bewirkt nur, dass die Vermittler das ,unabhängig' auf ihrer Visitenkarte streichen und durch ,fair' ersetzen. Mehr nicht."

Barnier stellte am Dienstag mehrere Vorhaben zu Stärkung des Verbraucherschutzes vor. Unter anderem soll in Zukunft ein verständlicher Beipackzettel für die meisten Finanzprodukte angeboten werden, auch um sie vergleichbarer zu machen. Die Entwürfe werden nach der Sommerpause dem Europäischen Parlament vorgelegt.

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