Neue Regeln:Auf die Birne

Der Verbot sorgte für Entrüstung und Hamster­käufe, heute haben sich die meisten ans neue Licht gewöhnt. Ein Lehr­stück für Regeln in der Umweltpolitik.

Von Michael Bauchmüller

Auch die Solux brennt irgendwann durch, eine nach der anderen, Jahr für Jahr. Noch leuchtet sie, etwa im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. "Auch bei uns gehen die Vorräte zur Neige", sagt Museumsdirektor Marcus Dekiert. Dabei sei gerade in einer Kunstsammlung die Beleuchtung eine ganz schwere Frage. "Zum Glück haben die anderen Leuchtmittel aufgeholt", sagt er. Getestet sind sie schon, bald soll eine Entscheidung fallen. Dann ist die Solux Vergangenheit. "Die Zeit der Glühbirne ist vorbei, auch im Museum", sagt Dekiert.

Vor zehn Jahren war die Stimmung ganz anders. Dekierts Vorgänger Andreas Blühm noch stellte die Glühbirne in eine Reihe mit dem Buch und dem Fahrrad. "Sie sollte zum Weltkulturerbe werden", verlangte er. Kurz zuvor hatte die EU den letzten Sargnagel für die Glühbirne eingeschlagen, die neuen Anforderungen raubten ihr die Existenzberechtigung. Schrittweise sollte sie vom Markt verschwinden, jedes Jahr im September ein Typ mehr: 2009, 2010, 2011 - und so fort.

Das Verbot führte zu panikartigen Reaktionen, Hamsterkäufen und Angst

Letztlich war es nur der Abschied von einem technischen Hilfsmittel, aber dieses Hilfsmittel war schon seit 120 Jahren da, nahezu unverändert. Generation um Generation erblickte das künstliche Licht der Welt in Form von Glühbirnen. Und die sollen einfach verschwinden?

Vor zehn Jahren führte das zu panikartigen Reaktionen, Hamsterkäufen, Angst. Jeweils Ende August räumten Menschen die Regale von Baumärkten und Supermärkten leer. Die Angst vor zusätzlicher Strahlung durch Energiesparlampen grassierte, Befürworter und Gegner des Verbots stritten über die Frage, wo nun mehr Quecksilber entsteht: Bei der Produktion der energiesparenden Leuchtstoffröhrchen oder bei der zusätzlichen Produktion von Kohlestrom, um Wolframdrähte zum Glühen zu bringen. Andere fürchteten Probleme für den Biorhythmus, durch das kalte Licht der Energiesparlampe. "Völlige Weltuntergangsstimmung", sagt Danny Püschel, der sich beim Naturschutzbund Nabu mit dem Thema beschäftigt.

Neue Regeln: Sieht alt aus, ist aber moderne Technik: LED-Lampen brauchen deutlich weniger Strom als herkömmliche Glühbirnen.

Sieht alt aus, ist aber moderne Technik: LED-Lampen brauchen deutlich weniger Strom als herkömmliche Glühbirnen.

(Foto: Shutterstock)

Verbot und Zwang sind die äußersten Mittel der Politik, sie sorgen zuverlässig für Ärger. Das war so bei der Einführung des Katalysators, bei der Rauchgasentschwefelung, beim Verbot von FCKW, bei der Einführung von Umweltzonen, die faktisch Fahrverbote im Kampf gegen Feinstaub waren. Als Anfang der Achtzigerjahre der feuerfeste Stoff Asbest ins Gerede kam, warnten betroffene Firmen vor Massenentlassungen, und das Bundesgesundheitsamt verglich die atmosphärische Asbestbelastung mit harmlosen zehn Zigaretten im Jahr. Heute ist das Asbestverbot unumstritten. Und die Firmen, die sich seinerzeit vor dem sicheren Untergang sahen, gibt es immer noch. Sie produzieren heute Alternativen zu Asbest. Auch das lehrt viel über das Verbot in der Umweltpolitik: Es kann Unternehmen auf die Sprünge helfen, sich und ihre Produkte zu modernisieren.

Aber eben oft gegen heftige Widerstände. "Verbote haben es eben schwer in einer liberalen Gesellschaft", sagt der Technikphilosoph Armin Grunwald, Chef des Büros für Technikfolgenabschätzung. "Das ist wie bei der Anschnallpflicht: Die konnten auch viele nachvollziehen, trotzdem gab es Aufstände dagegen." Zudem hätten viele Bürger das Gefühl, es werde am falschen Ende reguliert. "Die Leute fragen sich, warum müssen Glühbirnen oder konventionelle Wattestäbchen verschwinden, während in Industrie und Verkehr die schlimmsten Umweltsünden passieren." Dass Verbote immer von oben kommen, und dann noch aus dem fernen Brüssel, mache das Ganze nicht einfacher.

Auch die Sache mit der Glühbirne nahm letztlich eine andere Wendung. Tatsächlich waren die ersten Alternativen zur Glühbirne nicht sonderlich attraktiv. Energiesparlampen wurden zwar mit dem Prädikat "warmweiß" verkauft, das warme Licht einer Glühbirne aber erreichten sie nicht. Stattdessen eroberte schon wenige Wochen nach dem Verbot der ersten Glühbirnen eine ganz andere Alternative die Debatte: die Leuchtdiode, kurz LED.

Sie braucht nicht nur noch weniger Strom - fast 90 Prozent gegenüber einer Glühbirne. Das Licht ließ sich auch "komponieren": Zehn Jahre nach dem Verbot der Glühbirne stehen LEDs der Vorgängerin in Sachen warmes Licht kaum noch nach. Zu haben sind sie mittlerweile schon für unter zwei Euro, Kinderkrankheiten sind geheilt. "Das hätten wir ohne das Verbot der Glühbirne so nicht geschafft", sagt Nabu-Mann Püschel. Nur siege eben häufig die Emotion über den gesunden Menschenverstand, wenn es an die Gewohnheiten von Verbrauchern geht. "Da ist die Glühbirne ein leuchtendes Beispiel." Ein ehemals leuchtendes.

Ohne Nebenwirkungen freilich ist das alles nicht abgelaufen, jede Innovation schafft neue, andere Innovationen. Bei der LED-Technik ist es die feste Verbindung zwischen Lampe und Leuchtmittel. "Das Gewicht hat sich von Komponenten zu Leuchten verschoben", sagt Jürgen Waldorf, Licht-Experte beim Elektroverband ZVEI. Haben Lampenhersteller früher Gewinde eingebaut, in die dann die Standardbirne eines anderen Herstellers eingeschraubt wurde, bauen sie heute das Licht fest ein. Die Industrie rettete das über das Ende der Glühbirne hinweg, aber der Umwelt nützt es nur bedingt: Geben die Leuchtdioden den Geist auf, ist oft die ganze Lampe nicht mehr zu gebrauchen.

Geräte werden zwar sparsamer. Aber dafür gibt es mehr davon - und der Spareffekt verpufft

So zieht die eine Umweltregel die nächste nach sich. Die EU arbeitet gerade an einer neuen Verordnung, wieder geht es, wie einst bei der Glühbirne, ums Ökodesign: Produkte sollen leichter zu reparieren sein, auch LED-Lampen. Hersteller sollen künftig angeben, ob es etwa Leuchtmittel als Ersatz gibt; auch für andere Haushaltsgeräte soll es mehr Ersatzteile geben. Die Industrie hatte sich lange geziert: Schließlich könnten sich die armen Verbraucher bei der Reparatur verletzen. Aber die Richtlinie wird wohl kommen.

Und noch etwas kam anders als gedacht. Der Stromverbrauch sank, aber weniger als erwartet. Was die neue Lampe sparte, kam Smartphones, Tablets, noch mehr Lampen hinzu. "Einen drastischen Rückgang jedenfalls sieht man nicht", sagt Hans-Georg Buttermann, Geschäftsführer bei der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Auch der Anteil der Beleuchtung am Stromverbrauch privater Haushalte ging nur leicht zurück. "Da wird zwar die Glühbirne ausgetauscht, aber die Lampe brennt über Nacht." Kostet ja nicht mehr so viel. Neubauten werden mit ausgeklügelten Lichtkonzepten übergeben, selbst Gärten taghell beleuchtet. Es ist ein alter Bekannter der Umweltpolitik: der "Rebound-Effekt". Geräte werden zwar sparsamer, aber dafür gibt es mehr davon - und der Spareffekt verpufft.

War das Verbot der Glühbirne also überflüssig? "Überhaupt nicht!", sagt CDU-Umweltpolitiker Peter Liese, der die Ökodesign -Richtlinie einst im Europäischen Parlament mitverhandelte. "Aber man hätte es damals besser kommunizieren müssen, als Gesamtpaket." Schließlich gebe es viele Bereiche, in denen Ökodesign helfen kann, Strom zu sparen - vom Elektromotor bis zur Stand-by-Schaltung. Der Streit um die Glühbirne habe vieles überlagert.

Wer aber partout nicht ohne die alte Birne auskommt, der kriegt sie immer noch. Beim Frankfurter Onlineshop "Discount-König" etwa gehen täglich zwischen 20 und 30 Bestellungen ein. "Die Leute stehen drauf", sagt eine Mitarbeiterin. "Aber der Vorrat geht langsam zu Ende."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: