Neue Pläne bei Airbnb:Hunger nach mehr

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Der Zimmervermittler Airbnb will wachsen. Dafür muss er nicht nur expandieren, sondern vor allem seine Nutzer besser kennenlernen - anhand ihrer Daten.

Von Helmut Martin-Jung, München

Die Story, wie das Multi-Milliarden-Unternehmen Airbnb entstand, ist schon oft erzählt worden und sie gehört natürlich auch zur Firmenlegende. Die klammen Gründer kamen auf die Idee, während einer Messe Matratzen in ein Zimmer zu legen und diese vergleichsweise günstige Schlafgelegenheit über eine eigene Webseite anzubieten. Natürlich mit überwältigendem Erfolg. Heute, gut 300 Millionen Buchungen später, wird immer deutlicher: Airbnb, das ist vor allem ein Daten-Unternehmen.

Dass aus der einigermaßen verrückten Idee ein weltbekanntes Unternehmen mit zuletzt fast 2,6 Milliarden Dollar Umsatz nahe der Kostendeckung werden konnte, liegt genau daran. Die Gründer hätten auch Wohnungen suchen, sie mieten und weitervermieten können. Aber sie beschränkten sich schlauerweise aufs Vermitteln über ihre Webplattform und schufen sich so die Möglichkeit zu exponentiellem Wachstum.

Was wiederum den Hunger auf noch mehr Wachstum steigen lässt: "In ein paar Jahren wollen wir bei einer Milliarde Gästen sein", sagt Technikchef Mike Curtis. Doch um das zu schaffen, muss sich das mittlerweile zehn Jahre alte Unternehmen etwas einfallen lassen. Da gibt es zum einen Regionen wie China, wo Airbnb bis jetzt noch nicht so verbreitet ist. Doch das Riesenland ist natürlich auch ein Riesenmarkt. Deshalb hat das Unternehmen dort sogar eine eigene Niederlassung mit eigenen Technikern aufgebaut, wie Curtis erklärt: "China hat sein eigenes Ökosystem." Dazu brauche es zum einen Wissen über die örtlichen Gegebenheiten wie etwa die Bezahlsysteme. Und das Ganze müsse zum anderen auch mit einigem Aufwand technisch umgesetzt werden.

Aber auch auf den bereits etablierten Märkten versucht Airbnb, in neue Bereiche vorstoßen. Vor Kurzem verkündete das Unternehmen eine Offensive namens Airbnb Plus. Gastgeber, die sehr gute Bewertungen erhalten, sich um ihre Gäste bemühen und guten Service bieten, können sich um die Aufnahme in das Programm bewerben. Die dafür erhobene Gebühr von 150 Dollar schließt auch ein, dass ein professioneller Fotograf vorbeikommt und das Objekt ablichtet, sei es ein Zimmer, eine ganze Wohnung oder auch ein ganzes Haus.

Auf Airbnb böten Menschen zunehmend nicht nur gelegentlich einzelne Zimmer in ihrer Wohnung an, sondern vor allem auch ihr ganzes Zuhause, wenn sie selbst beruflich oder privat verreist sind, sagt Curtis. In den Häusern und Wohnungen sei aber die Aura des Vermieters zu spüren, durch den Stil der Einrichtung, die Bilder etc. Das führt in manchen Städten zu Problemen. In stark touristisch geprägten Städten vermieten Immobilienbesitzer ihre Häuser lieber an Kurzzeit-Gäste als an langfristige Bewohner - weil sie so erheblich mehr verdienen können. Das macht den Wohnraum knapper und lässt die Preise steigen. Andererseits, sagt Curtis, könnten sich viele aber auch ihr Einkommen aufbessern, indem sie ein Zimmer vermieteten. Curtis widerspricht der These, dass seine Firma dem Hotelgewerbe das Geschäft wegnehme: "Der Reisemarkt wächst jedes Jahr, da gibt es genug Raum für viele Mitspieler."

In Zukunft will Airbnb auch Hotelzimmer auf seiner Website anbieten

Um weiterzuwachsen, achtet Airbnb vor allem darauf, die individuellen Eigenheiten seiner Nutzer - der Vermieter wie der Mieter - zu berücksichtigen. Was vor allem eine Datenangelegenheit ist. So versuche man zum Beispiel, schon am Suchverhalten eines Mietinteressenten zu erkennen, wo seine Präferenzen liegen, und schlage ihm entsprechende Angebote vor. Und zwar, sagt Curtis, bevorzugt solche, bei denen die Erfahrung zeige, dass sie Anfragen wie die dieses Kunden in der Regel akzeptieren. "Wir investieren sehr viel in Datenanalyse, maschinelles Lernen, um das Nutzerverhalten besser zu verstehen", sagt Curtis.

Mit dem neuen Plus-Angebot ist Airbnb schon in einigen Städten gestartet, mit der Zeit sollen weitere Städte dazukommen. Viel verspricht sich Airbnb auch von den sogenannten Experiences. Das sind Dinge wie Stadtführungen, Exkursionen und viele andere Aktivitäten, die Airbnb-Nutzer zu ihrer Unterkunft dazubuchen können. Ziel sei es, die gesamte Reise anbieten zu können. "Was kann ich tun, wo soll ich essen?", nennt Curtis als Beispiel. Auch dabei spiele die Personalisierung durch die Analyse der Kundendaten eine wichtige Rolle. Viele verbrächten sehr viel Zeit damit, Reisen zu planen, "das dauert oft länger als der Urlaub selbst", sagt Curtis. Airbnb wolle das einfacher machen.

In Zukunft will Airbnb auch Hotelzimmer auf seiner Website anbieten, für die Hoteliers muss das kein schlechter Deal sein, da auch Hotel-Buchungsportale eine Marge für ihre Dienste verlangen, die meist höher ist als die von Airbnb. Und schließlich wird es auch noch ein Angebot namens Beyond by Airbnb geben, eine Luxusklasse, die noch oberhalb des Plus-Angebots angesiedelt sein soll. Es war und ist ein weiter Weg vom Matratzenlager bis zur Luxusvilla.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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