Süddeutsche Zeitung

Neue Ermittlungen:Thomas Middelhoff soll Millionen beiseitegeschafft haben

  • Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Top-Manager Thomas Middelhoff eröffnet.
  • Der Verdacht: Er soll vor seiner Privaltinsolvenz Teile seines Vermögens beiseitegeschafft haben.
  • Mit dem Unternehmensberater Roland Berger belastet ihn ein prominenter Zeuge schwer.

Von Klaus Ott und Uwe Ritzer

Seit Thomas Middelhoff im November 2017 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, gibt er sich geläutert. Er habe sich im Gefängnis eines besseren Lebens besonnen und zu Gott zurückgefunden, zumal ihn die schlimmen Bedingungen im Knast krank gemacht hätten. So schrieb es der ehemalige Top-Manager in einem Bestseller, so erzählt er es in TV-Talkshows. Doch das Bild des Thomas Middelhoff, der aus seinen Fehlern gelernt hat, erhält Risse. Er steht im Verdacht, vor seiner Privatinsolvenz mit Hilfe seines Rechtsanwaltes und Kompagnons Hartmut Fromm ein Millionenvermögen womöglich illegal verschoben und damit seine Gläubiger benachteiligt zu haben. Beide bestreiten dies.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld ein Ermittlungsverfahren gegen Middelhoff und Fromm eingeleitet. Ein Sprecher der Behörde bestätigte dies auf Anfrage. Zudem hat Middelhoffs Insolvenzverwalter Thorsten Fuest den Middelhoff-Anwalt Fromm und dessen Berliner Kanzlei beim Landgericht Bielefeld auf Zahlung von 5,1 Millionen Euro verklagt. Der Inhalt dieser Klage löste auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aus. Middelhoff und Fromm gaben auf Nachfrage an, von den Ermittlungen und der Klage nichts zu wissen.

Die Millionenklage ist das Resultat akribischer Sisyphusarbeit, die Fuest leistet, seit ihn das Amtsgericht Bielefeld im März 2015 zum vorläufigen und drei Monate später zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Privatvermögen von Thomas Middelhoff bestellte. Jenen tief gefallenen, einstigen Überflieger der deutschen Wirtschaft, der damals gerade im Gefängnis saß, verurteilt im November 2014 zu drei Jahren Haft wegen Untreue und Steuerhinterziehung. Als Chef von Bertelsmann und Arcandor, sowie als Manager eines britischen Finanzinvestors hatte Middelhoff einst viele Millionen Euro verdient. Dann allerdings geriet er finanziell in die Klemme. Noch 2014 bestritt er Berichte, er sei pleite oder stünde kurz davor.

Kaum hatte er am 31. März 2015 dann doch einen Antrag auf ein Privatinsolvenzverfahren gestellt, keimte bei Gläubigern der Verdacht auf, Middelhoff habe womöglich in den Jahren zuvor systematisch Vermögen im Wert von vielen Millionen Euro beiseitegeschafft, um es ihnen zu entziehen. Middelhoff bestreitet dies seit jeher.

Unstrittig ist, dass in den Jahren vor der Privatinsolvenz immer mehr vom Middelhoff-Vermögen in Gesellschaften floss, die sein Anwalt und persönlicher Intimus Fromm kontrolliert. Üblich und legal sei das, behaupteten beide immer. Als Gegenleistung überwiesen diese Gesellschaften Middelhoff regelmäßig Geld, damit er sein Privatleben, sowie seine Gerichts- und Anwaltskosten finanzieren konnte.

Nun aber belastet ein prominenter Zeuge Middelhoff. In einer eidesstattlichen Erklärung gibt der Münchner Unternehmensberater Roland Berger an, Middelhoff habe ihm im Januar 2014 erzählt, dass er sich auf eine Privatinsolvenz vorbereite. "Auf Nachfrage, was er damit meine, hat Herr Dr. Middelhoff bestätigt, dass er sich zum Schutz seines Vermögens habe beraten lassen und er seine Vermögensverhältnisse so geordnet habe, dass er seinen Gläubigern alles entziehen könne", so Berger, dem Middelhoff sieben Millionen Euro schuldet. Der versichert hingegen, nur legale Maßnahmen einer "Asset Protection" (Vermögensschutz) umgesetzt zu haben.

Die Frage ist, wann Middelhoff von der drohenden Privatinsolvenz wusste

Fuests Fünf-Millionen-Euro-Klage gegen Anwalt Fromm und dessen Kanzlei fußt auf einem umfangreichen Gutachten der Wirtschaftskanzlei Taylor-Wessing. Sie durchleuchtete im Auftrag des Insolvenzverwalters Middelhoffs Vermögenstransfers in den Jahren 2011 bis 2015. Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, der Ex-Manager habe sein Privatvermögen systematisch auf Dritte übertragen, unter tatkräftiger Mithilfe von Hartmut Fromm. Womöglich habe sich Middelhoff dabei einer Bankrott-Straftat schuldig gemacht und sein Freund der Beihilfe dazu.

Auf Anfrage reagierte Middelhoff vorsichtig. Vom neuen Ermittlungsverfahren und einer Klage gegen seinen Anwalt wisse er nichts. "Sollte ich trotz rechtlicher Beratung einen Beurteilungs- oder Ermessensfehler begangen haben, den ich wirklich nicht erkennen kann, werde ich natürlich zu meiner Verantwortung stehen", so Middelhoff. "Geschmacklos, unmenschlich, kaum vertretbar" sei angesichts seines Gesundheitszustandes, dass er von den neuen Verfahren durch WDR und SZ erfahre.

Entscheidend für die rechtliche Bewertung dürfte der Zeitpunkt sein, ab dem Thomas Middelhoff die Insolvenz gedroht hat. Insolvenzverwalter Fuest ist überzeugt, dass der Ex-Manager spätestens im Dezember 2011 zahlungsunfähig war - gut drei Jahre vor seinem Insolvenzantrag. In diesem Fall stünden möglicherweise alle zwischenzeitlichen Einnahmen Middelhoffs den Gläubigern zu. Eine wichtige Rolle spielt auch eine Hypothek auf die Villa Aldea in St. Tropez, in der Middelhoff einst residierte. Über die Grundschuld soll bei deren Verkauf ein Millionenbetrag an eine Fromm nahestehende Firma geflossen sein, während Middelhoffs Gläubiger auf ihr Geld warteten.

Anwälte von Middelhoff und Fromm verwiesen bereits im Frühjahr gegenüber WDR und SZ auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bochum. Diese sei dem Bankrott-Vorwurf bereits 2015 nachgegangen, habe die Ermittlungen jedoch eingestellt. Nun prüfen die Bielefelder Fahnder die Vorgänge erneut.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2018/vd
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