Neue Aufzugtechnik:Hoch, schnell, seitwärts

Aufzug Thyssen-Krupp

Hoch hinaus und seitwärts: So stellt sich Thyssen-Krupp den neuen Aufzug vor.

(Foto: Thyssen-Krupp)

Rauf und runter - das können alle Aufzüge. Aber seitwärts fahren? Das ging bisher nicht. Mit einer neuen Technik will Thyssen-Krupp nun Hochhäuser verändern. Das Versprechen: Auf den nächsten Lift muss niemand mehr lange warten.

Von Helmut Martin-Jung

Die modernen Quader von Thyssen-Krupps Hauptquartier in Essen mit ihren stählernen Säulen sind nicht bloß das Statement eines Unternehmens, das noch immer Stahl produziert. Sie kommen auch daher wie der Architektur gewordene Ausruf: Seht her! Uns geht es gut! Wir haben Zukunft! Man will hoch hinaus, und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Denn die neue Technik für Aufzüge, die das Unternehmen dieser Tage vorgestellt hat, sie könnte die Träume von neuen gigantischen Hochhäusern sogar jenseits der 1000 Meter möglich machen. Mehr noch: Das bisher einzigartige Vorhaben ermöglicht es auch, Aufzugkabinen seitwärts fahren zu lassen. "Aufzüge sind mittlerweile der limitierende Faktor bei Hochhäusern", sagt Andreas Schierenbeck, Chef des Aufzugsgeschäfts bei dem Essener Konzern. "40 bis 50 Prozent der Nutzfläche gehen verloren durch Aufzugschächte."

Studenten der Columbia University in New York haben ausgerechnet, dass Büroarbeiter in der Stadt im Jahr 2010 zusammen 16,6 Jahre auf Aufzüge warteten, weitere 5,9 Jahre verbrachten sie in den Kabinen. Um diese Zeit zu verkürzen, haben sich die Hersteller einiges einfallen lassen, nicht zuletzt Thyssen-Krupp: 2003 brachte der Konzern ein System auf dem Markt, bei dem zwei Kabinen in einem einzigen Schacht fahren können.

Doch ein Problem blieb: die Seile. Zwei Stränge zu managen, das ist noch schwieriger als einen in Griff zu bekommen. Denn wenn hohe Gebäude schwingen, bringt das auch die Seile in Bewegung. Sie müssen daher mit aufwendiger Technik zum Stillstand gebracht werden.

Technik des Transrapid

Die neue Technik, genannt Multi, hat dieses Problem nicht, denn sie beruht auf derselben Technik, mit der man einst hoffte, deutsche Großstädte zu verbinden: der Technik des Transrapid. Gezogen von einem Magnetfeld, schweben die Kabinen sozusagen nach oben. Die Ingenieure sind sicher: "Damit können sie so hoch fahren, wie Sie wollen", sagt Andreas Schierenbeck. Anfragen gebe es genug, sagt der Manager. Ein Wunder ist es nicht, denn die konventionelle Technik gerät bei den hoch fliegenden Plänen der Architekten an ihre Grenzen - Stahlseile etwa reißen wegen ihres eigenen Gewichts.

Das alles beruht bisher aber nur auf Laborversuchen und Berechnungen - gefahren ist noch niemand in einem solchen Aufzug. Wegen der langen Vorlaufzeiten für Mega-Hochhäuser ging der Konzern trotzdem schon jetzt damit an die Öffentlichkeit. Ende 2016 soll ein 100 Meter hoher Testturm in Rottweil, eine gute Autostunde südwestlich von Stuttgart, fertig werden. Schon etwas früher soll ein Modell im Maßstab 1:3 fertig werden.

Bauart eines Paternosters

Manches bei Multi muss man vorgeführt bekommen, um die Technik zu verstehen: Etwa wie die Kabinen kurz stehen bleiben. Außerhalb dreht sich dann in wenigen Sekunden ein sogenannter Exchanger, und plötzlich schwebt die Kabine seitwärts weiter. "Endlich keine endlosen Märsche mehr von Parkhäusern zum Lift", entfährt es einem Bausachverständigen aus Großbritannien während der Präsentation. Das stimmt, doch eigentlich haben die Ingenieure bei Thyssen-Krupp etwas anderes im Sinn. Die Kabinen, von denen nahezu beliebig viele eingesetzt werden können, sie sollen eine Bauart von Aufzügen nachbilden, die inzwischen verboten ist und daher am Aussterben: den Paternoster.

Anders als in die Aufzugkabinen der riesigen Wolkenkratzer etwa in New York oder in asiatischen Großstädten passen nicht 30 oder 50 Menschen in eine Kabine, sondern nur acht. Und die Kabine selbst sollte auch sehr leicht sein, daher wurden sie aus carbonverstärktem Kunststoff entwickelt. Der Vorteil: Damit hält sich der Aufwand für die Antriebstechnik in Grenzen. Weil aber immer sofort wieder ein neuer Aufzug kommt, verringern sich die Wartezeiten. Und wie bei einem Paternoster bewegen sich die Aufzüge an ihrem höchsten und ihrem tiefsten Punkt seitwärts und fahren wieder hinunter beziehungsweise hinauf.

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