Das ist die Verwechslung, von der Firmen träumen. Der Kunde sagt "Tempo", er meint Taschentuch. In manchen armen Gegenden der Welt gibt es immer mehr Menschen, die "Facebook" sagen, wenn sie "Internet" meinen und, noch bitterer, auch andersrum. Facebook tut alles dafür, dass sich dieses Missverständnis so weit wie möglich verbreitet.
Jetzt launcht das Netzwerk eine neue App, die besonders wenig Speicher und Leistung benötigt, wie gemacht für die Smartphones der Milliarden, die sich keine neuen iPhones leisten können. Damit setzt Facebook die Strategie fort, die der Konzern dieses Jahr mit internet.org begonnen hat, einer Initiative, die in die ärmsten Gegenden der Welt Internetzugänge bringt, aber (von ein paar Ausnahmen abgesehen) eben nur: Facebook.
Facebook ist wichtiger als Taschentücher
Im Falle der Taschentücher ist es für denjenigen, der sie benutzt, egal, ob er ein "Tempo" oder eins von Zewa in der Hand hält. Das Internet aber steht, ungeachtet der Abhörskandale, für (Meinungs-)Freiheit, globale Kommunikation und Fortschritt. Facebook mag diese Werte teilen, ist aber vor allem ein ziemlich intransparentes, werbefinanziertes Netzwerk mit quasi Monopolstellung in seinem Geschäftsbereich, das durch ständige Datenanalyse ein Psychogramm seiner Nutzer und somit auch der Gesellschaft erstellt.
Man kann Facebook folglich schlecht finden, man kann das Netzwerk aber auch lieben für seine Funktionen und dafür, dass es die Welt zusammenrücken lässt. Wichtig ist, dass man beides können muss. Diese Freiheit muss auch den Menschen in armen Gegenden der Welt zugestanden werden.
Zuckerberg muss sich an seinen eigenen Worten messen lassen
Aber kann man von Facebook, einem privaten Unternehmen erwarten, dass es die Kosten übernimmt, die Ärmsten der Armen auch mit der eigenen Konkurrenz zu verdrahten, statt nur mit dem eigenen Dienst? Ist das nicht eine absurde Forderung? Und geht es einem armen Menschen, der bislang von Nachrichten und Kommunikation abgeschnitten ist, nicht besser, wenn er wenigstens Facebook-Zugang oder eine Facebook-App hat - als gar nichts?
Doch, durchaus, so ist es. Aber solange sich Facebook und ganz besonders Gründer und Multimilliardär Mark Zuckerberg als ganz der Menschenliebe verschriebene Weltveränderer inszenieren, solange darf man sie an diesem Maßstab messen. "Wir werden der gesamten Welt dienen und wir werden weiterhin Werkzeuge bauen für Menschen an allen Orten bis wir alle miteinander verbunden sind", schreibt Zuckerberg in seiner Ankündigung zur neuen App. Knapp 100 000 Likes nach 12 Stunden sprechen für sich.
Ehrlicher wäre folgende Ansage gewesen: "Wir verbinden jetzt auch arme Menschen auf der ganzen Welt. Wir berauben sie allerdings sämtlicher Alternativen zu Facebook und erobern sie als Zielgruppe, bevor sie zu reich sind, um es besser zu wissen oder sich umzuentscheiden." Wie viele Likes das wohl bekommen hätte?