Neuberechnung von Hartz IV:Rechnen mit dem Notwendigsten

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Die Bundesregierung muss die Hartz-IV-Sätze neu berechnen. Wie der Regelsatz entsteht, wann er angepasst wird und welchen Spielraum die Regierung dabei hat - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Thomas Öchsner

Es geht um sehr viel Geld: Erhöht der Staat für die etwa fünf Millionen Erwachsenen die Grundsicherung (Hartz IV) um zehn Euro, kostet dies den Steuerzahler 700 bis 800 Millionen Euro pro Jahr. Eine Erhöhung des Regelsatzes für die 1,7 Millionen Kinder der Hilfebedürftigen ist dabei noch gar nicht eingerechnet.

Die Bundesregierung muss die Hartz IV-Sätze neu berechnen: Es geht um viel Geld. (Foto: dpa)

Bei einem möglichen Aufschlag von deutlich unter 20 Euro, über den in der Regierungskoalition diskutiert wird, könnten so insgesamt Mehrkosten von gut einer Milliarde Euro herausspringen. Wie viel es am Ende sind, hängt davon ab, wie gerechnet wird und welche Ausgaben der Staat einem Hartz-IV-Empfänger zubilligt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie kommt der Regelsatz überhaupt zustande?

Alle fünf Jahre erhebt das Statistische Bundesamt eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) bei etwa 60000 Haushalten. Dort wird drei Monate notiert, wofür das Geld ausgegeben wird. Die letzte EVS aus dem Jahr 2008 ist die Basis für die Berechnung von Hartz IV. Maßgeblich ist dabei das untere Fünftel der Bevölkerung auf der Einkommensskala. Die Auswertung des Datenmaterials hat das Bundesarbeitsministerium in dieser Woche abgeschlossen. Deshalb wird frühestens am Sonntag, wenn der Koalitionsausschuss über das Thema berät, die Höhe des neuen Regelsatzes feststehen. Derzeit beläuft er sich für Erwachsene auf 359 Euro im Monat. Bei Kindern legt er je nach Altersgruppe zwischen 215 und 287 Euro.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2010 entschieden, dass die bisherige Berechnung willkürlich ist. Kinder wurden zum Beispiel als "kleine Erwachsene" behandelt und ihre Regelleistung von der für Vater oder Mutter abgeleitet. So erhalten Kinder unter sechs Jahre 60Prozent, also 215 Euro. Zugleich haben die Richter eine enge Frist gesetzt, ihr eigenes Urteil umzusetzen: Schon von 2011 an sind die neu errechneten Sätze zu zahlen.

Er besteht aus vielen Ausgabeposten. Bei einem Erwachsenen sind etwa für Nahrungsmittel pro Tag 4,70 Euro vorgesehen. Für Bekleidung und Schuhe sind es 35,63 Euro, für Gesundheitspflege 13,18 Euro, für den Friseur 7,92 Euro pro Monat. Diese Sätze können sich ändern, wenn das Ausgabeverhalten 2008 anders ist als 2003.

Eine Vorentscheidung ist mit der Auswahl der Referenzgruppe, also den unteren 20 Prozent auf der Einkommensskala, bereits getroffen. Spielraum gibt es bei den einzelnen Ausgabepositionen, etwa beim öffentlichen Nahverkehr. Sicher ist schon jetzt, dass in Zukunft die Kosten für einen Internetanschluss berücksichtigt werden. Die Ausgaben für Alkohol und Tabak, die im Regelsatz mit 7,52 Euro und 11,58 Euro pro Monat angesetzt sind, könnten dagegen wegfallen. Entscheidend ist: Die neuen Sätze und der Weg dorthin müssen transparent, schlüssig begründet und empirisch abgesichert sein - sonst könnte das Bundesverfassungsgericht bei einer Klage das Gesetz erneut kippen. Bundesarbeitsminister Ursula von der Leyen (CDU) hat stets betont, dass es keine politisch festgelegten Sätze geben werde. Die Daten seien die Leitplanken, die Politiker könnten nur "einige wenige Wertentscheidungen" fällen.

Künftig soll zu 70 Prozent der Preisanstieg und zu 30 Prozent der Lohnanstieg entscheiden. Politisch brisant ist dabei, dass Leistungen für die Hilfsbedürftigen deshalb stärker steigen könnten als die Renten. Darauf hat zuletzt vor allem die CSU hingewiesen, ohne zu sagen, was die Alternative wäre. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Kopplung von Hartz IV an die Entwicklung der Renten gestoppt.

© SZ vom 25.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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