Netz-Depeschen:Wütende Nerds gegen das Apple-Universum

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Das PC-Zeitalter geht zu Ende, die Zukunft gehört den mobilen Geräten. Doch Kritiker warnen, dass die Welt der Apps Schattenseiten hat - und fordern eine Bewegung der "wütenden Nerds".

Michael Moorstedt

Der PC ist tot. Kleinen, mobilen und cloudbasierten Geräten gehört die Zukunft, darin sind sich alle Experten einig. Allein in der letzten Woche 2011 wurden mehr als eine Milliarde Apps heruntergeladen. Entweder, um produktiver zu werden oder zum Zeit verschwenden. Doch der Komfort hat auch seine Schattenseiten.

Nur um die Bedingungen noch einmal zusammenzufassen: 30 Prozent Umsatzbeteiligung von jedem Download lässt sich Apple bezahlen, er behält Einblick in die Daten der Nutzer, und jeder Entwickler muss seine Software von Apple-Leuten begutachten lassen, gegen die so mancher nordkoreanische Zensor gutwillig erscheint.

Wer freie Apps auf sein Gerät spielen will, braucht eine Entwicklerlizenz, die sich Apple teuer bezahlen lässt. Und trotzdem drängen kleine Softwarestudios und große Medienunternehmen immer weiter in den vermeintlich bequemen Vertriebskanal.

"Wir brauchen wütende Nerds", forderte deshalb in der vergangenen Woche der Jurist und Netzexperte Jonathan Zittrain in einem Essay. Dabei warnt er vor den möglichen Konsequenzen, wenn man Personal Computer durch sterile, an ein Kontrollnetzwerk gebundene Geräte ersetzt. "Wenn wir von den Annehmlichkeiten in eingemauerten Gärten einlullen lassen, verpassen wir die Innovationen, die die Gärtner aussperren. Und wir ermöglichen eine Zensur von Code und Inhalten, die früher nicht möglich war", schreibt Zittrain. Der Harvard-Professor hatte schon in seinem Buch "The Future of the Internet - and how to stop it" für ein offenes Netz plädiert.

Das Windows-Monopol? Ein Witz dagegen

Auch Regierungen hätten gemerkt, dass dieses Konzept eine Zensur viel einfacher macht. "War es vorher eine Sisyphus-Arbeit, all die Bücher, Traktate und Webseiten unter Kontrolle zu halten, genügen jetzt ein paar Anordnungen an die digitalen Torhüter wie Apple oder Google, um unliebsame Inhalte zu entfernen."

Das Software-Monopol, das Microsoft mit seinem Windows-Betriebssystem in den 1990er Jahren quasi innehatte, sei ein Witz gegen die Marktmacht, mit der die Nutzer Apple freiwillig ausstatten würden.

Nun könnte man sagen, dass dies kein Problem sei, schließlich ist ein iPhone für viele Anwender kaum ein Computer, sondern eher ein Touchscreen, mit dem man Angry Birds spielen kann. Doch die App-Philosophie setzt sich auf den anderen Apple-Geräten wie dem iMac fort.

Erzogen zur Unmündigkeit

Und der Mac-Appstore ist genauso restriktiv wie der für die mobilen Geräte. So dürfen Apps zum Beispiel nicht dazu führen, dass sich das Aussehen des Desktops ändert. Auch in andere Umgebungen breitet sich das Prinzip der abgeschlossenen Mini-Programme aus. So plant Microsoft für Windows 8 einen eigenen App-Store, Anfang Februar soll der Marktplatz in eine Beta-Version gehen.

Ein weiteres Problem, das mit der Migration in die App-Umgebung einhergeht, sprach zuletzt der Blogger und Open-Source-Aktivist Cory Doctorow an: Langsam aber sicher würden die Nutzer zur Unmündigkeit erzogen werden. In das Design der Apple-Geräte sei viel Überlegung und Intelligenz eingeflossen, doch es zeige auch eine offenkundige Verachtung gegenüber dem Besitzer.

"Wenn man seinen Kindern ein iPad kauft, ist das keine Starthilfe hin zu der Einsicht, dass die Welt für einen da ist, um auseinandergenommen und wieder zusammengebaut zu werden. Man vermittelt seinem Nachwuchs vielmehr, dass selbst so etwas wie ein Batteriewechsel eine Sache ist, die man Fachleuten überlassen sollte."

© SZ vom 09.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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