Es war nichts weniger als ein Strategiewechsel, den Netflix vor inzwischen zweieinhalb Jahren ankündigte, ein überraschender Strategiewechsel noch dazu. Der Streamingdienst war immer besonders stolz darauf gewesen, dass bei Netflix Filme und Serien ohne lästige Werbeunterbrechungen zu sehen sind, es war einer der großen Vorteile, mit denen sich Netflix vom Privatfernsehen abhob.
Ende 2022 aber wurde in zunächst zwölf Ländern ein neues Abonnement eingeführt – es war deutlich billiger, dafür mussten die Zuschauerinnen und Zuschauer Werbeunterbrechungen von bis zu fünf Minuten pro Stunde akzeptieren. Der Grund für die kleine Revolution: Damals sank die Zahl der Netflix-Kunden weltweit, Konkurrenten wie Disney+, Amazon Prime und andere setzen dem Unternehmen aus Kalifornien stark zu.
Obwohl es viel Kritik gab, war Netflix mit dem neuen Kurs erfolgreich, wohl erfolgreicher als erhofft. Die Zahl derer, die das Abo mit Werbung abschließen, stieg schnell an. Heute sind es laut Netflix mehr als 94 Millionen weltweit, fast jeder dritte Kunde. Es ist ein deutliches Wachstum, im vergangenen November gab es erst rund 70 Millionen Nutzer von Abos mit Werbung. Insgesamt kam Netflix Ende 2024 auf 300 Millionen Haushalte mit einem Abo und geschätzt 700 Millionen Menschen, die den Dienst weltweit nutzen. Das Unternehmen, das vor mehr als 25 Jahren als DVD-Versand gegründet wurde und sich immer wieder neu erfinden musste, ist damit der größte Streamingdienst weltweit.

Jetzt soll das Werbegeschäft angesichts des Erfolgs massiv ausgebaut werden, kündigte die zuständige Netflix-Managerin Amy Reinhard an. Kunden mit dem günstigeren Abo müssen sich im kommenden Jahr auf mehr Werbeunterbrechungen einstellen. Dazu kommt: Wenn man die Wiedergabe anhält, soll auch in der Pause Reklame eingeblendet werden. Bei den Anzeigenformaten soll zudem künstliche Intelligenz eingesetzt werden. Denkbar ist offenbar, dass den Zuschauerinnen und Zuschauern so auch personalisierte Werbung eingespielt wird und solche, die zum Film oder zur Serie passt. Diejenigen, die eine Actionserie schauen, sehen andere Spots als die Fans einer romantischen Komödie.
Kunden von Abos mit Werbung sind jünger
Netflix geht den neuen Weg also konsequent weiter. Die Frage dürfte sein, wann Zuschauerinnen und Zuschauer so genervt von der vielen Werbung sein werden, dass sie das Abo abbestellen oder den Anbieter wechseln. Nach Angaben von Netflix schauen Kunden des Abos mit Werbeunterbrechungen derzeit aber besonders viel. In den USA kommen sie demnach auf eine durchschnittliche Nutzung von 41 Stunden im Monat, das ist mehr als eine Stunde am Tag. Zudem sei das Angebot in den USA besonders in der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen beliebt, diese gilt auch als attraktive Zielgruppe für die Werbeindustrie. Das Publikum nehme die Werbung auch intensiv zur Kenntnis, sagte Netflix-Managerin Reinhard. Das solle durch neue Technologie noch besser werden.
Netflix will damit attraktiver für Werbekunden werden und sich neue Einnahmequellen erschließen. Der Dienst wird damit aber auch immer mehr zu einem Konkurrenten für das werbefinanzierte Fernsehen. Die TV-Sender haben ohnehin mit einem zurückgehenden Geschäft zu kämpfen, immer mehr Werbekunden wechseln ins Internet zu Social-Media-Plattformen und jetzt auch zu Streamingdiensten, weil dort ihre Clips genauer auf Zielgruppen ausgerichtet werden können. Auch Amazon Prime und andere Streamingdienste zeigen inzwischen Werbung.
In Deutschland kostet das günstigste Netflix-Abo mit Werbeunterbrechungen derzeit fünf Euro im Monat, je nach Ausprägung gehen die Preise bis auf 20 Euro hoch. Zuletzt war der Dienst auch massiv gegen Schwarzseher vorgegangen.