Video-Streaming:Netflix-Chef Hastings - eleganter Abgang dank Harry und Meghan

Video-Streaming: "Sogar Firmengründer müssen sich weiterentwickeln": Reed Hastings, Gründer und seit diesem Freitag Ex-Chef von Netflix.

"Sogar Firmengründer müssen sich weiterentwickeln": Reed Hastings, Gründer und seit diesem Freitag Ex-Chef von Netflix.

(Foto: Michael M. Santiago/AFP)

Er hat Video-Streaming quasi erfunden, nun übergibt er die Führung an zwei Gefolgsleute. Die große Frage ist, wie es langfristig mit der Branche weitergeht.

Von Helmut Martin-Jung

Harry und Meghan sei Dank: Der Erfolg der Dokuserie über den britischen Prinzen und seine amerikanische Frau beim Streaming-Anbieter Netflix hat dessen Gründer und Co-Chef Reed Hastings die Möglichkeit verschafft, als Chef in Würde abzutreten. Der 62-Jährige leitet künftig den Aufsichtsrat. Er gibt seinen Posten, den er ein Vierteljahrhundert innehatte, damit in einer Zeit ab, in der sein Unternehmen wieder in die Spur zurückgefunden hat. Die Zahl der Abonnenten stieg zuletzt an, nachdem sie Anfang des vergangenen Jahres erstmals zurückgegangen war.

Die Frage ist allerdings schon, wie lange dieser Zustand anhalten wird. Schließlich ist Netflix mit Anbietern wie Amazon oder Disney mächtige Konkurrenz erwachsen. Und von der ursprünglichen Idee, gutes Fernsehen ohne Werbung anzubieten, musste Hastings auch abrücken. Um mehr Abonnenten zu gewinnen, gibt es seit einigen Monaten auch ein günstigeres Abo-Paket mit Werbung und etwas eingeschränktem Angebot. Zugleich will Netflix auch härter gegen Nutzer vorgehen, die ihr Abo vertragswidrig mit anderen teilen.

Hastings hatte einst damit begonnen, DVDs per Post leihweise an Abonnenten zu versenden, angeblich, weil er sich über die 40 Dollar Strafe geärgert hatte, die er in einer Videothek für eine DVD zahlen musste, weil er sie zu spät zurückgegeben hatte. Dass er später sein Geschäftsmodell radikal änderte und das Streaming von Videos als Abo-Dienst erfand, brachte ihm viel Anerkennung ein. Hastings galt als cooler Typ, der auf vielen Podien gastierte, einer, der gerafft hatte, dass das Internet eben vieles ändert.

In seiner Firma geht es zwar offen, aber auch hart zu. "Wer eine Eins für Mühe kriegt, aber langfristig nur eine Zwei als Ergebnis abliefert, wird respektvoll entlassen und abgefunden", heißt es in dem 150 starken firmeneigenen Pamphlet über die Kultur des Unternehmens. "Wer regelmäßig eine Eins liefert, selbst bei eher geringem Aufwand, wird belohnt." Hastings scheute sich nicht, auch langjährige Mitarbeiter, Freunde sogar, zu entlassen, wenn er der Meinung war, die Leistung stimme nicht mehr.

Hastings hat schon seit einigen Jahren angedeutet, dass er irgendwann zur Seite treten werde. Er beförderte einen seiner Nachfolger, Ted Sarandos, zum Co-Chef und den zweiten, Greg Peters, zum Leiter des Tagesgeschäfts. Vertragsverhandlungen mit Hollywood hat er auch schon länger nahezu vollständig abgegeben und sich schrittweise aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. "Sogar Firmengründer müssen sich weiterentwickeln", schrieb er auf dem Firmenblog. "Was mich angeht, werde ich Ted und Greg wie jeder gute Aufsichtsratschef helfen und eine Brücke sein zwischen Aufsichtsrat und Vorstand." Die vergangenen zweieinhalb Jahre seien eine Feuertaufe gewesen, wegen der Corona-Pandemie und den jüngsten Schwierigkeiten im Streaming-Geschäft. Sarandos und Peters hätten sich aber "unglaublich gut" geschlagen.

Bald kommt Youtube als ein weiterer Konkurrent auf den Markt

Nachdem das vergangene Jahr über weite Strecken enttäuschend für Netflix verlaufen war, fiel der Endspurt wesentlich besser aus als angenommen. In den drei Monaten bis Ende Dezember gewann der Streaming-Service 7,66 Millionen neue Kunden hinzu - Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 4,5 Millionen gerechnet. Insgesamt brachte es Netflix zum Jahresende auf 230,75 Millionen Nutzerkonten. Neben "Harry & Meghan" erwiesen sich die Serie "Wednesday" sowie die Filme "Troll" und "Glass Onion" als anziehungskräftig. Auch mit dem Start des günstigeren werbefinanzierten Abos, das seit November verfügbar ist, zeigte sich Netflix zufrieden. "2022 war ein schwieriges Jahr mit einem holprigen Start", hieß es im Geschäftsbericht, "aber einem glänzenderen Abschluss."

Die Konkurrenz allerdings schläft nicht. Da sind die mächtigen Amazon und Disney, nicht zu vergessen Apple. Und nun will offenbar auch Youtube stärker mitmischen. Die Google-Tochter erprobt in den USA, TV-Sender werbefinanziert als Streams anzubieten.

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