Minuszinsen:Anleger sollten immer noch sparen können

Für Sparguthaben verlangen immer mehr Banken Strafzinsen.

Viel zu viele Milliarden liegen auf Sparkonten, zu Zinsen im mikroskopischen Bereich, die die Inflation mehr als wegfrisst.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Negativzinsen werden bleiben. Aber glücklicherweise können sich Anleger dagegen wehren.

Kommentar von Thomas Öchsner

Bankkunden in Deutschland leben derzeit in einer verkehrten Welt. Sparer erhalten kaum noch Zinsen, zunehmend sollen sie sogar Geld dafür zahlen, wenn sie Erspartes bei ihrer Sparkasse oder Bank abliefern. Schuldner hingegen zahlen Mini-Zinsen, Internetportale werben sogar für Kredite, bei denen Kunden weniger zurückzahlen müssen, als sie vorher als Darlehen bekommen haben. Die Finanzwelt steht Kopf, und viele Bürger beschleicht das ungute Gefühl, mit einem Kapitalmarkt zurechtkommen zu müssen, in dem etwas nicht stimmt.

Die schlechte Nachricht dabei ist: Das Absurdistan bei den Zinsen wird so schnell nicht verschwinden. Die gute Nachricht ist: Die Verbraucher können sich wehren - und um sogenannte Negativzinsen einen großen Bogen machen.

Gerade hat eine Untersuchung des Verbraucherportals biallo.de gezeigt: Mehr und mehr Finanzinstitute verlangen Geld fürs Verwahren größerer Guthaben ab 100 000 Euro, vor allem von Geschäftskunden, aber auch von vermögenden Privatpersonen. Und viele Bankkunden, die sehen, wie ihre Renditen auf Tagesgeld- und Festgeldkonten gegen null schrumpfen, fragen sich: Werde ich bald auch abkassiert? Die Antwort lautet: ja und nein. Teurer könnte es schon werden - nur nicht unbedingt wegen negativer Zinsen.

Zinsen zahlen nur Schuldner, so steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch

Europas Zentralbank hat zwar den negativen Einlagezins von 0,4 Prozent für Banken und Sparkassen nicht erhöht, wenn diese Geld bei der EZB parken. Aber was nicht ist, könnte nach der jüngsten Ankündigung der Notenbanker bald werden, und so könnten die Geldinstitute der Versuchung erliegen, bei ihren Kunden verstärkt zuzugreifen. Schon schwadroniert Baden-Württembergs Sparkassenpräsident darüber, dass sich bald "niemand mehr Negativzinsen entziehen kann". Doch so einfach sollten es Kunden ihren Banken nicht machen.

Es ist gut für die Sparer, dass Gerichte dem großen Abkassieren per Strafzinsen enge Grenzen setzen: So dürfen die Geldhäuser weder im Nachhinein negative Grundzinsen in einem Sparvertrag verlangen noch für ein bestehendes Festgeldkonto auf einmal Negativzinsen. Zinsen zahlen Schuldner, so steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch, und nicht Anleger, und das sollte auch, bitte schön, so bleiben.

Etwas anderes ist es, wenn Banken sogenannte Verwahrentgelte fordern, individuell ausgehandelt mit Kunden, die größere Beträge mitbringen. Strafzinsen sind dann möglich, aber kein Kunde ist gezwungen, dafür womöglich Tausende Euro herauszurücken. Sie oder er kann zu einer anderen Bank mit einem besseren Angebot gehen - genauso wie die Sparer, denen für Tages- und Festgeld Negativzinsen abgeknöpft werden sollen.

Die meisten Banken dürften jedoch nicht so ungeschickt sein, für alle die Strafzins-Keule herauszuholen. Keine wird Normalverdiener mit ein paar Tausend Euro auf dem Girokonto mit Strafzinsen verprellen - das schadet dem Image. Schon eher werden viele Institute weiter die Preise für Girokonten erhöhen, möglichst heimlich, still und leise. Welcher Kunde wechselt schon die Bank, wenn das Girokonto einen Euro mehr im Monat kostet?

Es liegt an den Sparern selbst, was sie mit ihrem Geld tun

Sicher hat die Null- und Negativzins-Politik der EZB zu dieser Misere und zum weit verbreiteten Gefühl beigetragen, enteignet zu werden. Die schwindenden Erträge für Lebensversicherungen, Privat- und Betriebsrenten schmälern dramatisch die Alterseinkommen. Sie tragen dazu bei, Menschen von der Marktwirtschaft zu entfremden und sie hellhörig für einfache Lösungen und Losungen zu machen. Außerdem sorgt die Politik des billigen Geldes für aufgeblähte Immobilienpreise, aus denen, das haben Blasen so an sich, irgendwann die Luft entweichen dürfte. Aber es liegt auch an den Sparern selbst, was sie mit ihrem Geld anstellen.

Dabei geht es nicht nur um ein paar Mausklicks, um die Bank zu wechseln. Die Deutschen sparen einfach zu schlecht. Viel zu viele Milliarden liegen auf Sparkonten, zu Zinsen im mikroskopischen Bereich, die die Inflation mehr als wegfrisst. Viele zu wenige halten Aktien oder sparen regelmäßig mit Fonds. Hinzu kommt ein noch größeres Problem: Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung hat gar kein Vermögen, sie können nicht sparen, selbst wenn sie wollen, und das ist eher eine Frage der Verteilung und nicht der Geldpolitik.

Darauf zu vertrauen, dass die EZB in naher Zukunft Europa wieder aus der Nullzinswelt führt, wäre vergeblich. Der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik ist bei schwacher Konjunktur und sinkenden Unternehmensgewinnen schwierig. Die verkehrte Zinswelt wird vorerst bleiben, ob die Sparer wollen oder nicht.

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