Negativzinsen:Banken lauern - welche Kunden müssen zuerst Strafzinsen zahlen?

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Wolfgang Fink von Goldman Sachs, VÖB-Hauptgeschäftsführerin Liane Buchholz und Markus Beumer von der Commerzbank (v. l. n. r.). (Foto: Stephan Rumpf)
  • Auf große Summen werden für viele Banken und Unternehmen mittlerweile Strafzinsen fällig.
  • Noch geben Banken die Negativzinsen nicht an Privatkunden weiter. Sollte ein Institut den Schritt wagen, dürften andere aber schnell nachziehen.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Die Negativzinsen machen den Banken immer mehr zu schaffen. Wie ein roter Faden zog sich das Thema durch den Finanztag der Süddeutschen Zeitung am Mittwoch in Frankfurt, fast jeder Redner hatte dazu eine Meinung. Auf den Punkt brachte es John Cryan, der Chef der Deutschen Bank. Er nannte es die derzeit "größte Sorge" der Kreditinstitute, dass die Zinsen, die die Europäische Zentralbank (EZB) für kurzfristige Einlagen verlangt, noch weiter ins Negative rutschen.

Die Sorge ist deshalb so groß, weil erwartet wird, dass die EZB am Donnerstag kommender Woche weiter an der Negativ-Zinsschraube dreht. Noch liegt der Zinssatz bei minus 0,3 Prozent, danach könnten es 0,4 oder sogar 0,5 Prozent sein. Das Ziel der Aktion ist es, Banken und Großanleger dazu zu bringen, das viele billige Geld, das die Notenbanken ausgegeben haben, nicht länger zu horten. Sie sollen es als Kredite und Investitionen ausgeben, um endlich die schwächelnde Konjunktur in Europa anzukurbeln.

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Cryan schilderte die Reaktion von Bankern, wenn ein Kunde viel Geld überweist, mit zwei kurzen Worten: "Oh, no!" Früher freuten sie sich, weil sie von der EZB selbst Zinsen bekamen, wenn sie ihren Überschuss an Einlagen kurzfristig auf dem eigenen Konto bei der Notenbank anlegten. Nun verlieren sie damit Geld. Ein Beispiel: Eine Einlage von einer Million Euro kostet die Bank bei einem Negativzins von 0,5 Prozent im Jahr 5000 Euro. Das läppert sich. "Der Negativzins führt zu immer größeren Verlusten, die Banken nicht mehr absorbieren können", sagte Cryan. Denn verleihen lasse sich das Geld nicht, die Nachfrage von Unternehmen und Verbrauchern nach Krediten sei zu gering.

Kein Wunder, dass die Banken den Negativzins zumindest an Großanleger und Unternehmen weitergeben. Markus Beumer, Firmenkunden-Vorstand der Commerzbank, sprach von einem abgestuften Modell, Wolfgang Kirsch, Chef der DZ Bank, des genossenschaftlichen Spitzeninstituts von "individuellen Vereinbarungen". Das Prinzip: Je mehr ein Kunde kurzfristig bei einer Bank anlegt, desto mehr nähert sich der Strafzins der Höhe an, die ein Geldhaus selbst bei der EZB zahlt.

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Die große Frage, die auch auf dem Finanzkongress im Raum stand: Werden die negativen Zinsen irgendwann auch an Privatkunden weitergegeben, möglicherweise sogar ab dem ersten Euro auf dem Tagesgeld-Konto? Die Banker wiesen das von sich: "Kleinkunden sind nicht betroffen", versicherte Beumer. Sergio Ermotti, Chef der Schweizer Großbank UBS, argumentierte, dass Privatkunden dies auch gar nicht mitmachen würden. "Solange es die 1000-Franken-Banknote gibt, lassen sich Negativzinsen nicht abwälzen, Kunden würden ihr Geld abziehen", betonte Ermotti.

Doch ausschließen wollen es die Banker nicht, dass die Negativzinsen irgendwann auch bei kleinen Kunden ankommen. Je länger die Phase dauert, desto stärker wird der Druck auf die Institute. Eigene Anlagen zu höheren Zinsen laufen nach und nach aus, so dass sich die Verluste mit Einlagen auch immer weniger ausgleichen lassen. "Wenn EZB-Präsident Mario Draghi immer weitermacht, und ich weiß nicht, wie weit er noch geht, kann ich nicht für alle Zeiten alles ausschließen", sagte Kirsch.

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Im Übrigen würde die erste Bank, die von Privatkunden Negativzinsen verlangt, für die Branche "eine große Leistung vollbringen", ist Kirsch überzeugt. Sie würde in der Öffentlichkeit geprügelt, andere könnten dann nachziehen. Doch genau deshalb wagt es niemand, vorzupreschen.

Vorerst ist es deshalb noch so, dass sich die Banken woanders das Geld holen, das sie durch den Negativzins verlieren. UBS-Chef Ermotti gab das offen zu. "Wir haben graduell die Kosten für bestimmte Dienstleistungen erhöht", sagte er. Wenn das Zinsumfeld so bleibe, seien auch höhere Zinsen für Unternehmenskredite möglich. Die Zinsen für Immobilienkredite hat die UBS quasi über Nacht um 0,60 Prozentpunkte erhöht, als die Schweizer Notenbank entschied, einen hohen Negativzins zu verlangen. Dieser liegt dort bei 0,75 Prozent, da der Franken für Anleger weltweit als Krisenwährung gilt. Die Notenbank versucht die Flucht in den Franken zu stoppen, da diese die Währung stärkt, was zugleich die Schweizer Exportindustrie schwächt.

Die EZB ist nur der Sündenbock - die Probleme liegen in der realen Wirtschaft

Der Ökonom Clemens Fuest, ab April Chef des Münchner Ifo-Instituts, räumte mit dem Glauben auf, dass die Notenbanken die Hauptverantwortlichen für die niedrigen und negativen Zinsen seien. "Für mich wird die EZB zu sehr zum Südenbock gemacht, dabei haben diese ihre Ursache vor allem in der realen Wirtschaft", sagte er. Schließlich reflektiere der Zins langfristig Angebot und Nachfrage nach Krediten, eine Notenbank könne ihn allenfalls kurzfristig beeinflussen.

Der Negativzins hat für Fuest auch einen Vorteil: "Die Folgen der niedrigen Zinsen werden jetzt sichtbar, und sie zeigen, dass die Bankenbranche strukturelle Probleme hat und sich anpassen muss." Es gebe Überkapazitäten, also zu viele Banken, die sich nur durch Fusionen und "Marktaustritte" lösen ließen. Diesen Aspekt sprach auch UBS-Chef Ermotti an. Das Thema für Banken sei nicht "Too big to fail" - auf Deutsch: zu groß, um fallen gelassen zu werden. Das Thema sei vielmehr: "Too small to survive" - zu klein, um zu überleben.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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