Negativzinsen:Diese Bank verlangt jetzt Strafzinsen

Negativzinsen: Paradeplatz in Zürich: Seit Anfang der Woche dürfen viel mehr Touristen wieder in das Land einreisen.

Paradeplatz in Zürich: Seit Anfang der Woche dürfen viel mehr Touristen wieder in das Land einreisen.

(Foto: imago stock&people)
  • Die Alternative Bank Schweiz berechnet als eine der ersten Banken überhaupt negative Zinsen für Privatkunden für Guthaben auf dem Girokonto.
  • Möglicherweise wird es auch in Deutschland künftig vermehrt Strafzinsen geben.

Von Hans von der Hagen

Im Oktober 2015 geriet für die Kunden der Alternativen Bank Schweiz (ABS) die gewohnte Welt aus den Fugen. Unter der harmlosen Überschrift "Anpassung Gebühren und Zinsen bei ABS-Konten" erfuhren sie in einem Brief, dass sich ihr Geld mit Beginn des neuen Jahres Tag für Tag reduzieren würde. Und das schon ab dem ersten Franken, den sie auf dem Girokonto haben. Im Schreiben klang das dann so: "Der Zinssatz auf dem Alltagskonto für den privaten Zahlungsverkehr sinkt auf minus 0,125 Prozent." Für Guthaben ab 100 000 Franken liegt der Zins für Privatkunden sogar noch deutlich tiefer, bei minus 0,75 Prozent. Das ist exakt der Satz, den die Schweizerische Nationalbank auch für Guthaben von Banken bei ihr selbst fordert.

Dass sie für Guthaben schon ab dem ersten Franken zahlen sollen, hatte es in dieser Form für private Kunden noch nicht gegeben. In Deutschland berechnet zwar die VR-Bank Altenburger Land, auch unter dem Namen Deutsche Skatbank bekannt, privaten Kunden einen Negativzins, aber erst ab sehr hohen Guthabengrenzen.

Gebühren statt Strafzins

Die alte Gewissheit, dass sich ein Guthaben bei einer Bank vermehrt, gilt nicht mehr, auch nicht in der EU. Zwar ist der Negativzins immer noch die Ausnahme, doch in der Regel erhalten die Kunden für ihre Guthaben fast keinen Zins mehr. Der durchschnittliche Satz für täglich verfügbares Geld, also etwa auf Tagesgeldkonten, lag im Februar nach einer Statistik der Europäischen Zentralbank in der gesamten Euro-Zone bei 0,12 Prozent. Für Guthaben mit längerer Laufzeit zahlten die Banken kaum mehr. Zuletzt dürften diese Sätze noch weiter gefallen sein, da Mitte März die EZB die Leitzinsen ein weiteres Mal senkte.

Noch gehen Vertreter der Banken davon aus, dass die Berechnung negativer Zinsen für Privatkunden auf breiter Front angesichts des scharfen Wettbewerbs unwahrscheinlich sei. Aber Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret warnte unlängst in einem Interview: "Je länger das gegenwärtige Zinsumfeld Bestand hat, desto höher steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass man die Negativzinsen vielleicht doch weitergeben muss."

Bislang versuchen die meisten Banken, wegbrechende Einnahmen auf klassischem Weg zu erhöhen, verlangen also etwa wieder mehr Geld für die Kontoführung. Auch die Alternative Bank in der Schweiz macht dies. Dass dies nicht ausreicht, machte ihr schon eine einfache Rechnung deutlich: 700 000 Franken an Negativzinsen müsste die ABS an die Nationalbank zahlen. Da der angepeilte Gewinn bei etwa einer Million Franken lag, war das eindeutig zu viel. Zumindest, wenn das Geld nur auf dem Girokonto liegen würde.

Das ist der für die Schweizer Bank ungünstigste Ort, weil täglich fällige Gelder nur eingeschränkt weiterverliehen werden dürfen. Die ABS schrieb darum ihren Kunden, sie könne das Geld auf den Girokonten nicht mehr sinnvoll verwenden. Es liege teils als "Überliquidität" auf einem Konto der Nationalbank und werde dort negativ verzinst. Mit anderen Worten: Die Bank hatte mehr Geld, als sie brauchte, und das kostet sie. Die ABS ist natürlich nicht gezwungen, das Geld bei der Nationalbank zu lassen. Sie könnte es beispielsweise auch anderen Instituten zur Verfügung stellen. Doch im Geschäft zwischen den Banken sind die Zinsen noch deutlich tiefer als bei der Nationalbank.

Furcht vor dem Zorn der Kunden

Das Geldhaus mit Sitz in Olten, 1990 in Form einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft gegründet, ist keine gewöhnliche Bank. Sie finanziert vor allem Projekte mit sozialem und ökologischem Fokus und will zugleich besonders transparent sein. Sie veröffentlicht etwa den Frauenanteil in Führungspositionen oder das Verhältnis von Tief- zu Höchstlohn.

Und: Sie verzichtet auf die Maximierung des Gewinns. Um aber das Geld ihren Zielen entsprechend langfristig verleihen zu können, muss es ihr auch langfristig zur Verfügung stehen. Für Guthaben auf dem Girokonto gilt das nicht, wohl aber für das Geld auf den Sparkonten. Darum bietet die Bank ihren Kunden mehrere Ausweichmöglichkeiten an: Sie können beispielsweise ihr Guthaben auf Sparkonten überweisen oder in einer Art Festgeld anlegen. Bei beiden Varianten verzichtet die ABS auf die Berechnung negativer Zinsen, weil sie dann langfristig mit dem Geld arbeiten kann.

Sprecherin: Öffentliche Aufregung war größer, als die der Kunden

Wie reagieren nun private Kunden, wenn sie mit negativen Zinsen konfrontiert werden? Eine Umfrage der ING Diba unter 13 000 Menschen in 13 Ländern hat unlängst gezeigt: Im Schnitt würden 75 Prozent der Befragten ihr Geld vom Sparkonto abheben, in Deutschland ist dieser Anteil sogar noch etwas höher. Bei der ABS fielen die Reaktionen nicht ganz so harsch aus. Wohl auch, weil die Bank ja Alternativen anbot. Natürlich seien Kunden verärgert gewesen und hätten ihre Konten gekündigt, sagt die Sprecherin der Bank.

Seit dem Schreiben im Oktober seien das knapp 1800 Personen gewesen. Die Zahl der Neukunden liege indes mit 1830 etwas höher. Ein Drittel der Guthaben auf den Girokonten wurde abgezogen oder umgeschichtet. Auch von anderen Konten zogen Kunden Geld ab. Aber das war es ja, was die Alternative Bank Schweiz erreichen wollte: weniger Geld zu haben, weil Guthaben gerade so teuer sind. Die ABS wusste, dass ihr Vorgehen einschneidend war. Alles in allem aber, bilanziert die Sprecherin, sei die öffentliche Aufregung größer gewesen als die der Kunden.

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