Zinsen:Die Bank gewinnt immer, oder?

Zinsen: Stand-up-Sportler auf dem Main vor Bankentürmen: Gerade mal 52 von rund 455 Kreditinstituten verlangen jetzt keine Negativzinsen mehr.

Stand-up-Sportler auf dem Main vor Bankentürmen: Gerade mal 52 von rund 455 Kreditinstituten verlangen jetzt keine Negativzinsen mehr.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Negativzinsen bleiben, Bauzinsen steigen - fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass deutsche Banken und Sparkassen gerade ihre Kunden über den Tisch ziehen.

Kommentar von Harald Freiberger

Das ist ja mal wieder typisch: Von diesem Mittwoch an verlangt die Europäische Zentralbank (EZB) von Banken keine Negativzinsen mehr, wenn diese kurzfristig Geld bei ihr parken. Und wie viele Banken haben schon angekündigt, ihrerseits Kunden keine Negativzinsen mehr abzuknöpfen? Gerade mal 52 von rund 455 Kreditinstituten, wie das Finanzportal Verivox ermittelte. Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Banken eine Belastung an ihre Kunden weitergeben, die sie selbst gar nicht mehr haben.

Auf der anderen Seite sind die Zinsen für Baufinanzierungskredite in den vergangenen Wochen nach oben geschossen wie selten zuvor, von unter einem Prozent für eine zehnjährige Zinsbindung auf mehr als drei Prozent. Der Zins, den Banken von Kunden für Kredite verlangen, explodiert förmlich, der Zins, den sie an Kunden für deren Einlagen zahlen, bleibt schön unten - das scheint alle Vorurteile über Banken zu bestätigen: Sie nutzen offenbar die Zinswende durch die EZB, um sich selbst die Taschen voll zu machen.

Deshalb ist es an der Zeit, etwas zur Entlastung der deutschen Banken und Sparkassen zu sagen: Es ist nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick wirkt. Man sollte vorsichtig sein mit der Feststellung, sie zögen ihre Kunden über den Tisch. Zugleich ist es an der Zeit, Kritik an den Banken und Sparkassen zu üben, aber aus einem anderen Grund.

Zum Negativzins: Es ist zu früh, Kreditinstitute dafür zu verurteilen, dass sie ihre Konditionen noch nicht angepasst haben. Viele tun das in diesen Tagen, viele ändern ihre Geschäftsbedingungen immer zum Monatsanfang. Spannend wird es am 1. August: Banken, die auf Einlagen von Kunden dann immer noch Negativzinsen berechnen, agieren perfide und gehören öffentlich gegeißelt.

Eher kritisieren muss man Banken und Sparkassen für ihre Jammerei über die EZB

Zu den Baufinanzierungszinsen: Es stimmt, dass die Zinsen für Kunden rapide gestiegen sind, deutlich schneller als auf dem Kapitalmarkt. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Banken in die Zinsen für Neukunden auch das gestiegene Risiko einberechnen müssen; der Ausfall von Baufinanzierungen ist mit höheren Zinsen wahrscheinlicher geworden. Außerdem müssen sie einen Ausgleich dafür schaffen, dass sie für längere Zeit von vielen Kunden noch niedrige Zinsen bekommen, sich selbst aber ab sofort zu höheren Zinsen refinanzieren. Es sieht nicht so aus, als ob Banken sich da die Taschen voll machen.

Zur Zinsspanne allgemein: Es ist nicht unstatthaft, dass Banken die Soll-Zinsen höher ansetzen als die Haben-Zinsen. Das macht jeder Kaufmann, niemand verkauft ein Produkt billiger, als er es selbst einkauft. Es ist auch nicht unstatthaft, dass die Zinsspanne bei höheren Zinsen größer ausfällt als bei niedrigen. Banken müssen ja von irgendwas leben. Idealerweise verfolgen sie ein auskömmliches Geschäftsmodell, das die Kunden nicht über Gebühr benachteiligt. Vergleicht man deutsche Banken mit britischen oder amerikanischen, stehen die Kunden noch gut da.

Wofür man die deutschen Banken kritisieren kann, das ist ihr Jammern und Klagen in den vergangenen Jahren. Mit ihrer permanenten Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB erweckten sie den Eindruck, als gebe es eine einfache Lösung. Als müsste die Notenbank nur die Zinsen anheben, und alles wäre gut. Die EZB hat die Zinsen niedrig gehalten, weil sonst der Euro auseinandergeflogen und die Wirtschaft abgestürzt wäre. Sie hat damit auch die Risiken für die Banken niedrig gehalten - für Großbanken das Risiko, dass italienische Staatsanleihen ausfallen, für Sparkassen und Volksbanken das Risiko, dass Firmenkredite ausfallen. Zudem hat die EZB die Last der Negativzinsen für Banken durch Freibeträge und andere Erleichterungen gemildert. Zuletzt waren diese kaum mehr eine Belastung für die Bilanzen, trotz aller Jammerei.

Die EZB erhöht die Zinsen jetzt nicht, weil sie den Klagen der deutschen Banken nachgibt, sondern weil sie damit die hohe Inflation in den Griff zu kriegen versucht. Die Gefahr ist, dass sie damit die Risiken heraufbeschwört, die sie mit niedrigen Zinsen im Zaum hielt. Sparkassen und Volksbanken jammern jetzt schon wieder, die EZB müsse aufpassen, dass sie die Konjunktur nicht abwürge. Als ob es dafür eine einfache Lösung gebe.

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