Geldanlage:Jede vierte Bank verlangt Negativzinsen

Lesezeit: 2 min

Comdirect-Zentrale in Quickborn: Die Direktbank verlangt sogar von bestehenden Kunden Negativzinsen. (Foto: comdirect/oh)

Auch im neuen Jahr hält der Trend an: Schon jede vierte Bank in Deutschland bittet Privatkunden bei Erspartem zur Kasse, ermittelte das Finanzportal Verivox.

Von Harald Freiberger, München

Die Bundesbürger müssen sich auch im neuen Jahr auf Negativzinsen einstellen. Schon jede vierte Bank verlangt von Privatkunden Zinsen auf Guthaben, ermittelte das Finanzportal Verivox. Insgesamt sind es 197 von 800 untersuchten Instituten. Das Portal ermittelt die Daten, indem es die Preisaushänge der Geldhäuser im Internet auswertet.

"Die Negativzinswelle rollt mit unverminderter Wucht über das Land", sagt Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. Allein zum Jahreswechsel hätten 20 Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt für Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten eingeführt, vier weitere verschärften die Bedingungen. Maier erwartet, dass in den kommenden Wochen und Monaten viele weitere Institute Negativzinsen einführen. "Eine Trendwende ist nicht in Sicht, höhere Zinsen sind auf absehbarer Zeit kein Thema", sagt er.

Mit dem Verwahrentgelt geben die Kreditinstitute die negativen Zinsen weiter, die sie selbst der Europäischen Zentralbank (EZB) zahlen müssen, wenn sie kurzfristig Geld bei ihr parken. Sie bestehen schon seit 2014. Im September 2019 senkte die EZB den Zinssatz von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. So viel verlangen die meisten Banken auch von ihren Kunden, häufig ab einem Freibetrag von 100 000 Euro. Bei 58 Instituten ist der Freibetrag niedriger, sieben bitten Sparer sogar schon ab dem ersten Euro zur Kasse.

Dabei haben die Bundesbürger immer mehr Geld auf Giro- und Tagesgeldkonten liegen. Wegen der Corona-Krise sparten die Deutschen im vergangenen Jahr 16 Prozent ihres Einkommens, so viel wie noch nie seit der Wiedervereinigung, erwartet die DZ Bank. "Allerdings blieben die Mittel größtenteils einfach auf den Girokonten stehen und wurden nicht angelegt", sagt DZ Bank-Ökonom Michael Stappel. Im Zinstief wüssten viele Anleger "nicht wohin mit freiwerdenden oder neuen Anlagemitteln". Inzwischen seien 28 Prozent des gesamten Geldvermögens von geschätzt 7,1 Billionen Euro - also rund zwei Billionen Euro - dauerhaft "zwischengeparkt".

Das Finanzportal biallo.de, das die Konditionen von knapp 1300 Banken und Sparkassen vergleicht, zählt inzwischen 260 Institute, die von Privatkunden Negativzinsen verlangen, bei Firmenkunden sind es 330 Geldhäuser. Selbst große Direktbanken wie ING und DKB haben zuletzt Negativzinsen ab einem Guthaben von 100 000 Euro eingeführt. Die Comdirect senkte den Freibetrag von 250 000 auf 100 000 Euro. Bei ihr gelten die negativen Zinsen nicht nur für Neukunden wie bei anderen Banken, sondern ab 14. Februar auch für bestehende Kunden.

"Damit sind inzwischen auch Bankkunden betroffen, die lange von Strafzinsen verschont geblieben waren", sagt Verivox-Chef Maier. Er weist darauf hin, dass eine Bank, die auch von Bestandskunden Negativzinsen erheben will, dies mit den Betroffenen individuell vereinbaren muss. "In diesem Fall raten wir zum Wechsel", sagt er. Es gebe immer noch Institute, die auf Tagesgeld positive Zinsen zahlen, in Deutschland bis 0,25 Prozent, im EU-Ausland bis 0,45 Prozent.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: