Tourismus:Neckermann macht's wieder möglich

Reisebüro von Neckermann in Berlin

Dieses Bild eines Neckermann-Reisebüros in Berlin-Neukölln ist mehr als 20 Jahre alt. Aber auch heute setzt Neckermann wieder vor allem auf den stationären Vertrieb.

(Foto: Imago)

Mit der Thomas-Cook-Pleite verschwand 2019 auch die Kultmarke Neckermann. Jetzt kommt der "VW Golf des Reisens" zurück. Aber wie viel ist die Marke wirklich noch wert?

Von Caspar Busse und Sonja Salzburger

Es war etwas wirklich Neues, was Josef Neckermann Anfang der 1960er-Jahre da ins Programm nahm. Der Versandhausunternehmer, der wie nur wenige für das deutsche Wirtschaftswunder stand und bis dahin vor allem Textilien im Sortiment hatte, bot vor fast 60 Jahren die "Fernreise für jedermann" an. Es ging mit einem sechsseitigen Flyer und 15-tägigen Flugreisen nach Spanien, Tunesien, Rumänien und ins damalige Jugoslawien los. Der Erfolg stellte sich schnell ein. Es dauerte nicht lange, und Neckermann war der führende Anbieter von Flugreisen in Deutschland - und der günstigste. Das Unternehmen aus Frankfurt (Werbespruch: "Neckermann macht's möglich") wurde für die Deutschen der Inbegriff der günstigen Pauschalreise, 1970 wurde der millionste Gast begrüßt.

Seit einigen Jahren ist die Traditionsmarke verschwunden, die Firma gehörte am Ende zum Reisekonzern Thomas Cook und ging mit dessen Pleite unter. Doch drei Jahre nach dem Aus soll Neckermann jetzt zurückkommen: Von kommender Woche an können wieder Pauschalurlaube mit Neckermann Reisen gebucht werden, teilte die türkische Anex-Gruppe mit. Sie hatte sich nach der Thomas-Cook-Insolvenz die Rechte an Neckermann Reisen gesichert. Anex wurde 1996 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Antalya. Zu ihr gehören unter anderem Bucher Reisen und Öger Tours.

Ursprünglich sollte es schon 2020 einen Neustart geben. Doch die Corona-Pandemie und der mit ihr einhergehende Einbruch des Reisemarktes verhinderte das. Nun kommt die Marke also mit Verspätung zurück. Anex setzt dabei klassisch auf den Vertrieb über stationäre Reisebüros und richtet sich vor allem an Familien und sogenannte "Best Ager", also Kunden über 50 Jahre, denen die Marke und der Neckermann-Badeurlaub im Süden noch ein Begriff sein sollten.

"Neckermann ist eine Kultmarke mit einem sehr hohen Bekanntheitsgrad, und das sowohl in Deutschland, Österreich und der Schweiz als auch in vielen Zielgebieten", sagt Michael Nickel, Direktor von Neckermann Reisen. Diese Bekanntheit hat sich Anex von einer repräsentativen Onlineumfrage des Marktforschungsinstituts Yougov bestätigen lassen. Demnach ist Neckermann etwa 70 Prozent der Deutschen ab 18 Jahren ein Begriff, nur Tui kennen noch mehr von ihnen (80 Prozent). Kein Wunder, dass sich Neckermann selbst als "VW Golf des Reisens" bezeichnet.

Für den Sommer 2022 können rund 1000 Hotels in den Urlaubsländern Spanien, Griechenland, Türkei und Ägypten gebucht werden, heißt es beim Veranstalter. Reisen nach Bulgarien, Italien, Kroatien, Portugal und Tunesien sollen bald folgen. Auch Angebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die mit dem Auto bereist werden können, seien geplant.

Der Name sei "völlig verbrannt", heißt es bei Reisebüros

Ob Neckermann tatsächlich einen erfolgreichen Neustart hinlegen wird, bezweifeln manche aus der Branche. "Das Comeback von Neckermann wird nicht gelingen", sagt etwa Marija Linnhoff, Chefin vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros. Ihrer Meinung nach sei der Name durch die Pleite von Thomas Cook beim Verbraucher "völlig verbrannt". Zudem würden Reisebüros die Solidarität verweigern, weil zur türkischen Anex Group auch die russische Charterfluggesellschaft Azur Air gehört. Das sähen viele angesichts des Krieges in der Ukraine sehr kritisch.

Die Geschichte von Neckermann ist wechselhaft. Das Reiseunternehmen, das bald den Namen NUR für "Neckermann und Reisen" trug, konnte angesichts des Erfolgs große Kapazitäten an Charterflug-Plätzen und Hotelbetten einkaufen. Dadurch ergaben sich Kostenvorteile - die Reisen konnten günstig angeboten werden. Doch mit dem Versandhaus Neckermann, das bald mit Karstadt fusionierte, ging es auch mit dem Reisegeschäft bergab. Zusammen mit der Fluggesellschaft Condor wurde Neckermann dann zu einer Tochterfirma von Thomas Cook. Jetzt wollen die neuen türkischen Eigentümer an die Erfolge von Josef Neckermann anknüpfen. Ob das aber gelingt, ist fraglich.

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