Süddeutsche Zeitung

Nationaltrikot:Sportgeschäfte empören sich über Adidas

  • Adidas hat Tausende Sportgeschäfte vorerst nicht mit den neuen Nationaltrikots beliefert. Der Konzern will sie lieber in Eigenregie verkaufen.
  • Den Händlern entgeht ein gutes Geschäft. Auch bei anderen beliebten Produkten lässt der Konzern sie mittlerweile außen vor.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Ein Fußballtrikot ist mehr als ein T-Shirt, das man zum Kicken anzieht, oder als Zuschauer. Ein Fußballtrikot ist ein Statement; sein Träger identifiziert sich mit einem Spieler, einer Mannschaft oder einem Verein. Und gerade weil es mehr ist als nur ein Zwecktextil zum Reinschwitzen, präsentierte Adidas das neue Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft nicht einfach bei einem Fototermin, sondern mittels einer großen Show in Berlin: Hip-Hop, Videoprojektionen, Interviews mit Stars und schließlich das gesamte DFB-Team in jenen Leibchen auf der Bühne, in denen es 2018 in Russland seinen WM-Titel verteidigen will.

Das Bohei ist verständlich, schließlich ist das DFB-Trikot für Adidas erfahrungsgemäß ein Riesengeschäft. Drei Millionen Stück verkaufte der fränkische Sportartikelhersteller vom Weltmeister-Trikot 2014, was auch die Geschäfte des Fachhandels enorm beflügelte. Eine klassische Win-Win-Situation - sollte man meinen. Doch ausgerechnet zum Start des WM-Geschäftes 2018 soll dieses Geschäft auf Gegenseitigkeit nicht mehr gelten.

Schwer verärgert nahmen die etwa 3000 Sportfachgeschäfte hierzulande zur Kenntnis, dass das neue Deutschland-Trikot in der ersten Woche nach seiner Präsentation im November ausschließlich in Adidas-Stores sowie den Online-Shops von Adidas und des DFB zu kaufen war. "Ein Exempel des Monopolmissbrauchs" sei das, empörte sich ein Sporthändler im Fachblatt SAZ sport. Und Dennis Aubermann, beim zweitgrößten deutschen Einkaufsverbund Sport 2000 für Teamsport zuständig, sah sich zu einer versteckten Warnung genötigt. 2014 sei immerhin "fast jedes vierte DFB-Trikot von einem an Sport 2000 angeschlossenen Händler verkauft" worden. Soll heißen: Adidas und DFB, ihr braucht uns!

Ob man das dort allerdings genauso sieht, scheint zumindest bei der Marke aus Herzogenaurach fraglich geworden zu sein. Adidas setzt auf Direktvertrieb. So ist es erklärtes Ziel, immer mehr Ware über den eigenen Web-Shop zu verkaufen. Der Konzern hat das Ziel ausgegeben, den Online-Umsatz bis 2020 auf vier Milliarden Euro zu steigern. Gemessen an 2016 eine Vervierfachung. Das eigene Internetgeschäft ist ebenso wie jenes über eigene Stores margenstärker und damit profitabler als das über Händler, die mitverdienen.

Im Fachhandel verfolgt man solche Ankündigungen mit Sorge und Wut zugleich. Nach außen halten sich viele Händler und auch ihre großen Einkaufsverbünde Intersport und Sport 2000 mit Kritik an Adidas zurück - man will den neben Nike wichtigsten Lieferanten nicht verärgern. Hinter vorgehaltener Hand jedoch wird immer heftiger geklagt. Über angeblich für die Händler verschlechterte Skonto-Regelungen oder den Umstand, dass Adidas den Zugang zu einigen seiner Produktreihen verbaut.

So weigert sich das Unternehmen, Ware aus der gerade besonders erfolgreichen Lifestyle-Produktlinie "Originals" auch dem Sportfachhandel zu überlassen. Diese Textilien und Schuhe sind Modegeschäften vorbehalten. Selektiven Vertrieb nennen das die Fachleute. Die Strategie ist nicht neu, doch die Händler empfinden sie im Fall Adidas als "kein schönes Signal an uns". Die einwöchige Exklusivität beim DFB-Trikot wertet mancher gar als "offenen Affront". Adidas glaube nicht mehr an den Fachhandel, heißt es, was auch daran ablesbar sei, dass man in puncto Service und direkte Belieferung vor allem kleineren Händlern immer öfter die kalte Schulter zeige.

Auch einen Schuldigen glauben manche ausgemacht zu haben: Kasper Rorsted, seit 1. Oktober 2015 Konzernchef. Rigoroser als sein Vorgänger Herbert Hainer trimme er das Unternehmen auf Profit, und ein Hebel dabei sei, möglichst viele Produkte selbst und am liebsten via Internet zu verkaufen, wo die Gewinnspannen am höchsten sind. Bei Adidas weist man die Vorwürfe zurück. "Der Fachhandel ist nach wie vor ein wichtiger Partner für uns", sagt eine Sprecherin. "Aber die digitalen Vertriebskanäle werden eben auch immer wichtiger."

Der Unmut ist wechselseitig

Sinnvollerweise biete man die Ware dort an, wo die Kunden einkaufen. "Wir gehen mit unseren Produkten nicht online, nur um damit online zu gehen. Wir gehen dahin wo unsere Konsumenten sind. Die kaufen immer häufiger im Netz ein, also wollen wir ihnen dort ein besonderes Einkaufserlebnis bieten", sagt die Sprecherin.

Was die geplante Vervierfachung des eigenen Online-Umsatzes bis 2020 angeht, macht Adidas die Gegenrechnung auf: 2016 habe man eine von 19 Milliarden Euro Umsatz im Internetverkauf erwirtschaftet. 2020 sollen es vier Milliarden sein bei einem Umsatz von geplanten 25 bis 27 Milliarden Euro. Auch dann also, so argumentiert man in Herzogenaurach, werde der weit überwiegende Teil des Geschäftes über stationären Fachhandel abgewickelt.

Der Unmut ist wechselseitig. Adidas ärgert sich, dass die Händler immer mehr Eigenmarken verkaufen und damit den Shirts und Schuhen mit den drei Streifen im eigenen Laden Konkurrenz machen. Besser sollten sie dabei helfen, Adidas als Marke so attraktiv und begehrt zu machen, heißt es, auf dass der Kunde höchstmögliche Preise zahle. Und nicht die wertvolle Ware verhökern. Beispiel DFB-Trikot. Kaum war die exklusive Woche vorbei, wurde der vom Hersteller empfohlene Verkaufspreis von 89,90 Euro auch schon unterlaufen. Der billigste Anbieter verkaufte das Trikot für gerade mal 60 Euro.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2017/jps
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