Süddeutsche Zeitung

Naspers:Europas teuerste Internetfirma

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Ein unbekanntes Unternehmen aus Südafrika geht in Amsterdam an die Börse. Naspers klingt nach Internet, der Ursprung lag in der Apartheid.

Von Bernd Dörries, Christoph Giesen, Kapstadt/Peking

An der Börse von Amsterdam wird an diesem Mittwoch ein Konzern gelistet, den in Europa kaum einer kennt, der aber wohl am Abend einer der wertvollsten Konzerne des Kontinents sein wird, mit einem Aktienwert von mehr als 100 Milliarden Euro. Wobei man sich darüber streiten kann, ob der Naspers-Ableger Prosus mit Sitz in den Niederlanden ein europäischer Konzern ist oder eine Beteiligungsplattform, die in 130 Ländern aktiv ist, von Südafrika aus geleitet wird - und aufgrund ihres Erfolges zu groß geworden ist für die Börse in Johannesburg.

Dort waren die internationalen Beteiligungen des südafrikanischen Naspers-Konzerns bisher gelistet. Naspers, das klingt irgendwie auch nach Internet, letztlich ist die Firma aber bereits 104 Jahre alt und wurde gegründet, um Hass und das Konzept der Rassentrennung auf Papier zu verkaufen. Naspers ist die Abkürzung für Nationale Pers, das Afrikaans-Wort für Nationale Presse - die in den folgenden acht Jahrzehnten eine enge Symbiose einging mit der National Party und ihrer Ideologie der Apartheid: Leitende Redakteure wechselten in die Regierung und umgekehrt. Naspers spendete großzügig, die National Party besaß umgekehrt mehrere Tausend Aktien.

Als sich Mitte der Achtzigerjahre abzeichnete, dass sich mit dem Hass und der Apartheid nicht mehr auf ewig Geld verdienen ließ, kam ein Fax aus New York, in dem ein junger Südafrikaner, der gerade seinen Wirtschaftsabschluss gemacht hatte, vorschlug, einen Pay-TV-Sender zu gründen, einen der ersten außerhalb der USA. Koos Bekker bekam die Genehmigung der Regierung und wurde in den nächsten Jahrzehnten die prägende Figur von Naspers: die Pay-TV-Sparte Multichoice expandierte in 49 afrikanische Länder, mit den Gewinnen begann er, in aufstrebende Internet-Unternehmen zu investieren. Vieles ging schief, aber im Jahr 2001 machte Bekker wohl eine der lukrativsten Investitionen der Wirtschaftsgeschichte, er investierte 30 Millionen Euro in den chinesischen Internet-Konzern Tencent, der Anteil ist heute etwa 130 Milliarden Euro wert.

Tencent wurde 1998 von Ma Huateng und einem Freund gegründet, den er vom Informatikstudium kannte. Mittlerweile ist Tencent eines der größten Internet-Unternehmen der Welt, vor allem wegen der App Wechat, die etwa eine Milliarde Nutzer installiert haben und die gleichzeitig ein Bezahlsystem ist.

Früher wurden an der Börse von Johannesburg die Aktien der großen Goldkonzerne gehandelt, nun war Naspers mit seinem 33 Prozent Anteil an Tencent die neue Goldmine, der die ganze Börse dominierte und mit nach oben zog. Der Erfolg schaffte aber auch Probleme: Nimmt man den Börsenwert der Tencent-Aktien in Hong-Kong, dann ist alleine die Beteiligung mit 130 Milliarden Euro mehr wert als die derzeitige gesamte Marktkapitalisierung von Naspers in Johannesburg, die nur auf 100 Milliarden Euro kommt - obwohl der Konzern auch noch andere wertvolle Internetdienste umfasst und auch die Zeitungen.

Anleger drängen daher schon länger auf eine Abspaltung des Tencent-Anteils, der nun zusammen mit Dutzenden anderen Beteiligungen wie am russischen Internetriesen und dem deutschen Zustelldienst Delivery Hero unter dem Namen Prosus in Amsterdam gelistet wird - etwas mehr als zwei Drittel der Anteile will Naspers aber selbst behalten. Was auch der chinesischen Regierung ganz recht ist, die einen ihrer sensibelsten Konzerne gerne in zuverlässigen Händen sieht.

Der 66-jährige Koos Bekker hat sich mittlerweile aus dem operativen Geschäft zurück gezogen, als Vorstandschef hatte er sich lange kein Gehalt zahlen lassen, sondern Aktienoptionen, die ihn zum mehrfachen Milliardär machten. Mit seiner Frau hat er in der Nähe von Kapstadt eine alte Farm zu einer edlen Touristenattraktion gemacht, mit Weingut und einem riesigen botanischen Garten, dessen Beschilderungen auch auf chinesisch zu lesen sind. Ein Gruß an das Land, das ihm so großen Erfolg bescherte.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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