Nahaufnahme:Zu schön, um wahr zu sein

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Die braunen Haare zu ange­sagten Dutts hoch­gesteckt, das Make-up dezent: Die Influencerin Lil Miquela ist ein Avatar - und erfolgreich.

Von Nikola Noske

Ob Chris Brown, Katy Perry oder Steve Aoki - Trevor McFedries hatte sie alle. Der 32-jährige ist in Los Angeles besser als DJ Skeet Skeet bekannt und hat bereits Tracks und Remixes von diversen Musikern produziert. Doch Musik zu produzieren, scheint ihm nicht mehr gereicht zu haben. Nachdem er 2011 Katy Perry auf ihrer California Dreams Tour begleitet hat, hat er nun mit einer neuen Produktion einen Hit gelandet - diesmal auf der Fotoplattform Instagram.

Eine junge Frau: Die braunen Haare trägt sie zu zwei gerade angesagten Dutts hochgesteckt, das Make-up ist dezent, wodurch ihre braunen Rehaugen und die Sommersprossen zur Geltung kommen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Bild kaum von anderen Fashion-Posts auf Instagram. Doch diese Influencerin ist zu schön, um wahr zu sein. "19 Jahre alt, aus LA, Roboter", steht in der Kurzbeschreibung ihres Instagram-Feeds. Miquela Sosa, auf Instagram besser bekannt als Lil Miquela, ist ein computergenerierter Avatar. Weltweit sorgt sie als die erste virtuelle Influencerin für Schlagzeilen. Seit zwei Jahren ist Miquela nun auf der Plattform aktiv und postet täglich neue Fotos "von sich". 1,3 Millionen Follower schauen sich diese inzwischen regelmäßig an.

Erst im April dieses Jahres bekannte sich das von McFedries gegründete IT-Start-up Brud dann zu Lil Miquela. Miquela sei eine Art künstliche Intelligenz, die in der Lage sei, sich wie ein Mensch zu fühlen, so das Statement des Unternehmens. Anfangs sei Miquela von einem Unternehmen für künstliche Intelligenz namens Cain Intelligence als Sexpuppe programmiert worden. Doch dann habe Brud sie "befreit", damit sie ein "normales Teenager-Leben führen" könne. Genauso wie im Leben echter Stars gibt es auch um Miquela eine Menge Klatsch und Drama. Brud hat mehrere weitere Figuren entworfen, mit denen Lil Miquela interagiert: Inzwischen hat der schöne Avatar sogar eine Antagonistin. Anders als Lil Miquela, die spanisch-brasilianische Wurzeln hat und sich auf ihrem Instagramprofil für die Rechte von schwarzen Frauen einsetzt, hat die virtuelle Influencerin Bermuda schneeweiße Haut, blondes Haar, stahlblaue Augen und ist bekennende Trump-Unterstützerin. Via Instagram erklärte Bermuda, sie sei ein Projekt von Cain Intelligence. Inzwischen wird jedoch vermutet, dass sowohl Bermuda als auch Cain Intelligence eine Erfindung von Brud sind, die sich in die Geschichte um Lil Miquela einfügt.

Influencer sind die Popstars der heutigen Zeit, weil sie nicht unerreichbar sind, sondern ihre Follower an ihrem Leben teilhaben lassen. Sie lassen sich von Firmen dafür bezahlen, ihre Produkte zu zeigen, wenn sie Fotos oder Videos von ihren Reisen oder Partys posten. Im Gegensatz zu virtuellen Influencern sind die menschlichen für ihre Auftraggeber schwer steuerbar. Je berühmter, desto größer ist häufig ihre Anspruchshaltung und ihr Preis: Bianca Heinicke, besser bekannt als "Bibis Beauty Palace", ist Deutschlands bekannteste Influencerin und verdient pro Post ungefähr 22 000 Euro. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum Miquelas Geschichte einen Hype in den Medien ausgelöst hat: Virtuelle Influencer, so die Spekulation, könnten schon bald menschliche Influencer ablösen. Wie er oder sie sich verhält oder präsentiert, entscheidet allein der Auftraggeber. Für Miquela scheint dieses Prinzip zu funktionieren. Inzwischen modelt sie für große Modemarken wie Prada oder Chanel. Und auch für Brud scheint sich das Geschäft mit Lil Miquela zu lohnen. Angeblich hat das Start-up für seine Arbeit mit Lil Miquela inzwischen rund sechs Millionen Dollar von Investoren erhalten - darunter auch Firmen aus dem Silicon Valley.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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