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Er beschreibt einen Stimmungswechsel in der Textilindustrie in Bangladesch: "Skeptiker halten Sicherheit nun für einen Wettbewerbsvorteil." Rob Wayss (Foto: privat)

Rob Wayss setzt sich als Geschäftsführer der Aktion Accord for Fire and Building Safety in Bangladesch für sichere Fabriken in Schwellenländern ein.

Von Caspar Dohmen

Rob Wayss griff zu, als sich die Gelegenheit bot, die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten konkret zu verbessern. Drei Wochen nach dem schweren Unglück von 2013 in der Fabrik Raná Plaza mit 1137 Toten unterschrieben internationale Unternehmen wie Marks & Spencers, Tchibo oder Aldi, Gewerkschaften und NGOs den Accord for Fire and Building Safety in Bangladesch. Mit dem Abkommen sollen der Feuerschutz und die Gebäudesicherheit in den dortigen Fabriken verbessert werden. Der 52-Jährige lebte zur Zeit des Unglücks bereits im Lande, arbeitete als Berater der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Er wechselte als Geschäftsführer zum Accord, bei dem mittlerweile 65 Mitarbeiter tätig sind, überwiegend Ingenieure, aber auch Fallmanager und Trainer. Sie haben rund 1100 Fabriken untersucht und dabei mehr als 80 000 Sicherheitsmängel aufgedeckt. Jetzt prüfen die Spezialisten, ob die Fabrikanten die Mängel auch abstellen.

Wayss hat erlebt, wie skeptisch viele Politiker, Unternehmer und Medien am Ort dem Projekt zunächst gegenüberstanden, weil sie fürchteten, der angekratzte Ruf der wichtigsten Exportbranche mit mehr als 3,5 Millionen Beschäftigten könnte weiter Schaden nehmen. Die Stimmung habe sich jedoch seitdem verändert. Ein hoher Regierungsvertreters aus Bangladesch habe eben erst die Aktivitäten bei einer Konferenz in Berlin gelobt, erzählt Wayss zufrieden abends in einer Hotelbar. "Viele Skeptiker haben mittlerweile eingesehen, dass es ein Wettbewerbsvorteil ist, wenn die Fabriken sicher sind." Mittlerweile wird in der Branche diskutiert, ob der Ansatz auf andere Länder ausgedehnt werden sollte.

Der drahtig wirkende Amerikaner hat sich aus kleinen Verhältnissen hochgekämpft, verdiente sich sein Studium an der Universität Rhode Islands selbst. Er ging mit dem Friedenscorp nach Südafrika, als das Land gerade seine ersten freien Wahlen unter Nelson Mandela erlebte und arbeitete einige Jahre für den Bürgermeister von New York in Gewerkschaftsangelegenheiten, bevor es ihn in die weite Welt verschlug als Mitarbeiter des American Center for International Labor Solidarity, einer Organisation mit engen Beziehungen zu US-Gewerkschaften.

Wayss, dessen Herz für die Arbeiterklasse schlägt, hat sich vielerorts engagiert und erlebt, wie schwierig der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen ist. Besonders heftige Erfahrungen machte er in Mittelamerika. Dort seien 60 Gewerkschafter, mit denen er zu tun gehabt habe, verschwunden oder getötet worden, erzählt er. Die Brutalität hat ihn schockiert, einige Bilder gruben sich ihm ins Gedächtnis ein. Wie das von einem Arbeiter, der über Missstände in einer Fabrik geredet hatte, und dem deswegen zur Bestrafung eine Hand abgehackt wurde. Wayss ist erleichtert darüber, dass der Alltag in Bangladesch friedlich ist. Er brauche sich um seine Frau und seine beiden Kinder keine Sorgen zu machen und sie könnten auch in einer ganz gewöhnlichen Wohnung leben.

Die meiste Zeit verbringt Wayss in den beiden Zentren der Textilindustrie des Landes. Immer wieder gibt es schwierige Situationen, wie zuletzt mit dem deutschen Fabrikbesitzer, in dessen Fabrik es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Vorarbeitern und Arbeitern gekommen war. Wayss weiß, dass Sicherheit und Feuerschutz nur ein Teil der drängenden Probleme der Arbeiter vor Ort sind. Natürlich bräuchten die Leute einen deutlich höheren Lohn. Doch dafür ist Wayss nicht zuständig. Er wäre schon glücklich, wenn er dazu beitragen könnte, dass die Arbeiter keine Angst mehr haben müssen, dass sie unter den Trümmern einer Fabrik begraben oder bei einem Brand vor verschlossenen Notausgängen stehen werden.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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