Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Vertrauenskiller

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Renaults neuer Lenker sollte Krisen lösen - doch er verstärkt sie. Bei Renault, Nissan und zwischen beiden Unternehmen herrschen ungebrochen Unruhe und Misstrauen.

Von Leo Klimm

Mit ihm sollten Ruhe und Vertrauen zurückkehren. Bei Renault genau wie bei Nissan, dem Partnerkonzern. Nach dem Skandal um Finanzbetrug durch den gestürzten Ex-Chef Carlos Ghosn, der die beiden Autohersteller im Herbst erschüttert hat, sollte der als umsichtig und bescheiden geltende Jean-Dominique Senard die französisch-japanische Allianz reparieren. Sollte.

Nicht einmal fünf Monate nach Senards Berufung zum Renault-Verwaltungsratschef zeigt sich: Bei Renault, Nissan sowie zwischen beiden Unternehmen herrschen ungebrochen Unruhe und Misstrauen. Und der vermeintliche Anti-Ghosn Jean-Dominique Senard steht eher für eine fortgesetzte Managerkrise als dass er sich als Krisenmanager beweisen würde.

Was ist da nur los? Das werden die Renault-Aktionäre von Senard wissen wollen, wenn sie sich an diesem Mittwoch zur Hauptversammlung treffen. "Ich muss meinem Ruf als Diplomat gerecht werden", hatte Senard kurz nach seinem Start gesagt. Doch womöglich ist der Firmenlenker, ein hagerer Schlaks von 66 Jahren, gar kein solch begnadeter Diplomat. Ziemlich ungeschickt agierte der vormalige Chef des Reifenherstellers Michelin in seinen ersten Monaten an der Renault-Spitze.

Denn Senard verstrickt sich vor allem in Machtkämpfen. Zum Beispiel bei der schließlich gescheiterten Fusion mit Fiat Chrysler; das Angebot dazu zog die Führung des italienisch-amerikanischen Herstellers in der vergangenen Woche voller Verärgerung zurück, nachdem es Senard nicht gelungen war, seine beiden wichtigsten Aktionäre - den französischen Staat sowie Nissan - für das Geschäft zu gewinnen.

Oder in dem komplexen, aber für Renault existenziell wichtigen Verhältnis zu Nissan, in dem Befindlichkeiten eine große Rolle spielen. Erst waren die Japaner von Ghosn brüskiert worden. Senard macht es jetzt nicht viel besser.

Zwar beansprucht er, anders als Ghosn, nicht den Chefsessel bei Nissan für sich, obwohl Renault größter Aktionär des japanischen Konzerns ist. Dennoch hält Senard es für nötig, dem Partner die Grenzen aufzuzeigen. "Die Japaner wollten sehen, ob ich essbar bin", hat Senard gesagt. Soll heißen: Er fühlt sich von der Nissan-Führung herausgefordert, will Autorität zeigen. Der Plan einer vollständigen Fusion von Renault und Nissan, mit der er die Japaner schnell konfrontierte, fördert das Vertrauen aber nicht gerade. Hatte Nissan doch schon unter Ghosn gegen diese Idee rebelliert. Als Senard mit Fiat Chrysler verhandelte, verheimlichte er das dem Nissan-Management. Seit Neuestem blockiert er auch noch eine Reform der Unternehmensführung bei Nissan: Der Renault-Lenker sträubt sich gegen die Reform, weil er Machtverlust fürchtet.

Dass der französische Staat sein wichtigster Aktionär ist, macht es Senard nicht leichter. Ständig äußert sich die Regierung in Paris zu strategischen Fragen. Das schränkt Senard ein. Nachdem die Regierung die Fusion mit Fiat Chrysler jüngst nicht klar unterstützt und den Verwaltungsratschef auf diese Weise düpiert hat, soll Senard Pariser Medien zufolge fast hingeworfen haben. Angeblich ließ Präsident Emmanuel Macron intervenieren, damit er bleibt. "JDS", wie er bei Renault heißt, hatte die schwierige Ghosn-Nachfolge auch nur auf besonderen Wunsch der Regierung übernommen. Für ein Gehalt, das sich für einen Topmanager bescheiden ausnimmt: 450 000 Euro jährlich erhält er. Bei Michelin waren es noch vier Millionen.

Womöglich bereut Senard, dass er sich nach dem Chefjob bei dem Reifenkonzern nicht einfach auf seinem Weingut in der Provence zur Ruhe gesetzt hat. "Ich bin da, um zu helfen", begründet er seine Entscheidung für Renault. Das Problem ist: Sehr hilfreich ist er bisher nicht.

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SZ vom 12.06.2019
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