Nahaufnahme:Verrückt nach Steuern

Nahaufnahme: "'Tax' ist das zweitinteressanteste Wort in der englischen Sprache, das mit x endet": Richard Murphy.

"'Tax' ist das zweitinteressanteste Wort in der englischen Sprache, das mit x endet": Richard Murphy.

(Foto: Bloomberg)

Der Ökonom Richard Murphy bekämpft die Tricks der Konzerne und hat in Großbritannien mit seinen Ideen großen Einfluss in der Labour-Partei.

Von Björn Finke

Dieses Wortspiel funktioniert nur auf Englisch. Aber es zeigt, wie sehr der Ökonom für sein Lieblingsthema brennt: "Tax", also Steuern, "ist das zweitinteressanteste Wort in der englischen Sprache, das mit x endet", sagt Richard Murphy. Welchen Begriff er für den Interessantesten hält, verrät der Brite nicht, doch es ist wohl klar, dass er nicht "box" oder "fox" meint.

Murphy studierte Wirtschaftswissenschaften und lernte in den Achtzigerjahren in London Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, bei einer Vorgängergesellschaft von KPMG. Unter anderem bekam er beigebracht, wie er Kunden helfen kann, Geld in Steueroasen zu verschieben. Das gefiel ihm nicht.

Er zog Konsequenzen: Heute ist der 57-Jährige einer der profiliertesten Kämpfer gegen Steuerflucht; in Büchern, Studien, Vorträgen und seinem Internet-Blog prangert er die Tricks von Konzernen wie Google oder Starbucks an, die Gewinne ganz legal in Länder übertragen, in denen wenig Abgaben fällig werden. Die amerikanische Kaffeekette meidet er selbstredend.

Sein Name war jedoch lange nur Fachleuten ein Begriff. Zumindest in Großbritannien hat sich das inzwischen geändert. Der Grund liegt darin, dass seit Herbst Jeremy Corbyn die größte britische Oppositions-Partei Labour führt. Der Altlinke gewann überraschend die parteiinternen Wahlen zum neuen Vorsitzenden. Der Parteichef veröffentlichte ein radikales wirtschaftspolitisches Programm - und bediente sich dafür kräftig bei den Vorschlägen Murphys, den er seit Jahren kennt.

Journalisten schreiben immer von "Corbynomics", wenn sie über die sehr speziellen ökonomischen Ideen des Politikers berichten. Murphy ist der Schöpfer dieser Corbynomics - das verkündet er sogar stolz im Werbetext für sein jüngstes Buch, das sich wenig überraschend wieder Steuern in allen Facetten widmet. Auch in der wirtschaftspolitischen Denkschule der Corbynomics sind Abgaben ein wichtiges Thema. Unter anderem fordern Murphy - und nun die Labour-Partei - mehr Ressourcen für den Fiskus und schärfere Gesetze gegen Steuervermeidung, höhere Sätze für Reiche sowie weniger Subventionen für Unternehmen. Am umstrittensten ist aber ein Konzept, das den etwas sperrigen Namen "quantitative Lockerung fürs Volk" trägt. Notenbanken wie die Bank of England kaufen Anleihen, um Geld ins Finanzsystem zu pumpen. Das heißt quantitative Lockerung.

Murphy und Corbyn gehen allerdings noch weiter: Sie wollen, dass die Währungshüter mit dem frisch gedruckten Geld Investitionen finanzieren, etwa für sozialen Wohnungsbau. Kritiker befürchten, diese Aufgabe würde die Autorität der Notenbank als Hüter der Preisstabilität untergraben.

Doch nicht nur den Labour-Chef inspirierte Murphy. Der Ökonom verbucht für sich auch die Urheberschaft an der Idee der Länderberichte in der Unternehmensbesteuerung. Bereits 2003 forderte er in einer Studie, dass internationale Konzerne angeben sollten, in welchen Staaten sie Tochtergesellschaften haben, wie viel Umsatz und Gewinn jede einzelne erzielt und wie hoch ihre Steuerlast ist. So fällt den Finanzbehörden eher auf, wenn Firmen systematisch Profite in Länder mit niedrigen Abgabensätzen verschieben. Im Herbst schlug die Organisation OECD genau das vor, und die Regierungen der 20 wichtigsten Industrienationen versprachen, das umzusetzen.

Murphy war selbst einmal Unternehmer. Er gründete eine Steuerberatungsgesellschaft in London. Die verkaufte er aber im Jahr 2000 und widmete sich danach lieber seinen Kampagnen. Der Einsatz zahlt sich offenbar aus.

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