Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Uber-Schreck

Lorena Gonzalez kämpft für die Rechte von Fahrern. Der börsennotierte Vermittler fürchtet um sein Geschäftsmodell.

Von Maximilian Helmes

Lorena Gonzalez hat schon einige Gesetze auf den Weg gebracht, die Kalifornien geprägt haben. Die demokratische Abgeordnete hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Mindestlohn im US-Bundesstaat jährlich um einen Dollar steigt; 2020 wird er bei 15 Dollar pro Stunde liegen. Die 48-Jährige setzte sich dafür ein, die Gesundheitsvorsorge zu verbessern, die Justiz fairer zu gestalten und den Arbeitnehmerschutz zu erhöhen. Das Magazin Politico zählte sie 2016 zu den Top 50 der "Denker, Macher und Visionäre, die die amerikanische Politik verändern". Der Gesetzentwurf, den sie nun einbrachte, könnte eine ganze Industrie in den USA umkrempeln.

Gonzalez will den sogenannten Gig-Workern helfen: Das sind unfreiwillig Selbständige, die ihr Geld über viele kurzfristige Aufträge verdienen, die meist von Onlineplattformen vermittelt werden. Die Gig-Worker sind keine Angestellten, sondern beispielsweise Auftragnehmer von Lieferdiensten wie Dashdoor oder Fahrtenvermittlern wie Uber und Lyft. Gonzalez tritt für sie ein. "Ich spreche von Leuten, die in ihren Autos übernachten, die nicht krankenversichert sind und sich am Ende des Monats überlegen müssen, was ihnen zum Essen bleibt", sagt die Abgeordnete.

In diesen Tagen stehen die Gig-Worker am Straßenrand der großen Städte Kaliforniens. Sie fordern mehr Rechte und Geld. Sie halten ihre Botschaft auf Schildern hoch, gehen gemeinsam auf Protestmärsche und fahren in Kolonne durch Kalifornien. Die meisten von ihnen sind Uber-Fahrer. Gonzalez kritisiert, der Fahrdienstvermittler, der im Mai an die Börse ging, bereichere sich auf Kosten der Allgemeinheit. "Als Gesetzgeber werden wir nicht guten Gewissens zulassen, dass Trittbrettfahrer weiterhin ihre eigenen Geschäftskosten auf Steuerzahler und Arbeitnehmer abwälzen", sagt sie. "Es ist unsere Aufgabe, uns um arbeitende Männer und Frauen zu kümmern und nicht um die Wall Street und Manager, die mit Börsengängen schnell reich werden wollen."

Gonzalez ist die Tochter eines mexikanischstämmigen Erntehelfers und einer Krankenschwester. Sie kämpft schon ihre gesamte politische Karriere für mehr Arbeitnehmerrechte. Die Uber-Proteste begleitete sie von Anfang an. Vor Wochen fing sie an, einen Gesetzentwurf zu schreiben, der aus den Gig-Workern Angestellte macht. Der kalifornische Senat hat dem Entwurf in der Nacht zum Mittwoch mit klarer Mehrheit zugestimmt. Es fehlt nur noch die Unterschrift von Gouverneur Gavin Newsom, bis es 2020 in Kraft treten kann. Newsom hat seine Zustimmung bereits zugesichert.

Kein Wunder, dass Uber und Lyft gegen das Gesetz Sturm laufen. Beide finanzieren PR-Initiativen dagegen und machen den Fahrern Druck. Selbst wenn nur ein Teil der kalifornischen Uber- und Lyft-Fahrer zu Angestellten würden, stünde das Geschäftsmodell der Online-Konzerne infrage, erklären die Unternehmen. Die Kosten für die Vermittler würden stark steigen.

Gonzalez sagt, sie fordere nur, dass die Fahrer einen fairen Anteil am Gewinn erhalten. "Die Unternehmen gehen an die Börse, machen Millionen Umsätze und sind Milliarden Dollar wert." 2015 nannte das Magazin The Atlantic Gonzalez "die kalifornische Demokratin, die die nationale Agenda festlegt". Es sieht so aus, dass es auch diesmal so kommen könnte. Auch andere amerikanische Bundesstaaten nehmen sich den Gesetzentwurf zum Vorbild. Die Demokratin hätte ein weiteres Mal ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Arbeitnehmerrechte in den USA stärkt. Die Uber-Fahrer könnten dann eine Gewerkschaft gründen und würden den Mindestlohn verdienen. So sähe er aus, der American Dream - aus Gonzalez' Sicht.

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SZ vom 12.09.2019
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