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Joachim Rogall arbeitet seit vielen Jahren für die einflussreiche Bosch Stiftung. Nun will er auch Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Stiftungen werden.

Von Henrike Roßbach

Eigentlich wollte Joachim Rogall nur Polnisch lernen, als er sich vor vielen Jahren für den Sprachkurs an der Universität Mainz anmeldete. Als Osteuropa-Historiker lag das nahe. Der Kurs aber entpuppte sich rückblickend als geradezu schicksalhaft für ihn. Denn erstens lernte Rogall damals seine spätere Frau kennen. Und zweitens kam er mit der Robert Bosch Stiftung in Berührung, die den Polnischkurs im Rahmen eines Völkerverständigungsprojekts gefördert hatte.

Mit seiner Frau hat Rogall heute drei erwachsene Kinder, und für die Robert Bosch Stiftung arbeitet er nunmehr seit 22 Jahren. Vor fünf Jahren rückte er in die Geschäftsführung auf, im Herbst vergangenen Jahres wurde er Vorsitzender. An diesem Donnerstagabend stellt sich der 59-Jährige zudem als Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Stiftungen zur Wahl, bislang hat er den Vizeposten inne. Da es keinen Gegenkandidaten gibt, ist es so gut wie sicher, dass er gewählt wird.

Rogall hat in Mainz und im polnischen Posen osteuropäische Geschichte, slawische Philologie und Germanistik studiert, später folgten Promotion und Habilitation. Seit 2003 hat er neben seiner Arbeit für die Robert Bosch Stiftung eigentlich noch eine außerplanmäßige Professur an der Universität Heidelberg inne. Als er Geschäftsführer der Bosch Stiftung wurde, ließ er sich dort allerdings beurlauben. "Das wäre sonst nicht zu schaffen gewesen", sagt Rogall. Seine Kraftquelle, wie er es nennt, ist sein Leben auf dem Land, mit Hund und Wald und Garten. Er wohnt heute wieder in dem Ort bei Heidelberg, wo er aufwuchs. Zur Arbeit pendelt er anderthalb Stunden mit der Bahn nach Stuttgart; bei sich zu Hause aber ist er in den Vereinen unterwegs, an Stammtischen, mit Leuten, die er schon immer kennt. "Das macht was mit einem", sagt er über seine Heimatverbundenheit, "wenn man nicht nur als Stiftungsmanager durch die Welt reist." Gelangweilt hat er sich in seinem Job nach eigenem Bekunden "keinen einzigen Tag". Das liege an dem breiten Spektrum, sagt er und zählt auf, wo überall die Bosch Stiftung aktiv sei; von eigenen Krankenhäusern und Schulen, Förderung von Wissenschaft, Integration und Völkerverständigung bis zu internationalen Kooperationen. "Das Privileg in einer Stiftung ist, dass man wirklich Dinge bewegen kann", sagt Rogall. Man habe die Mittel, um Ideen umzusetzen oder dabei zu helfen.

Die Robert Bosch Stiftung allerdings hat, verglichen mit den meisten anderen Stiftungen in Deutschland, auch ungewöhnlich viele Mittel. Ihr gehören rund 92 Prozent der Robert Bosch GmbH; 215,2 Millionen Euro Dividende bekommt sie dieses Jahr, gut 100 Millionen fließen in die Förderung. 90 Prozent der deutschen Stiftungen dagegen verfügen über weniger als eine Million Euro Kapital. Denen macht vor allem die Niedrigzinsphase zu schaffen. "Mit Zinsen allein können die so gut wie nichts mehr machen", sagt Rogall. Auch deshalb fordert er, dass es Stiftungen zum Beispiel erlaubt werden soll, sich zu wandeln und ihr Kapital verbrauchen zu können. Oder dass der Stiftungszweck schon als erfüllt gilt, wenn das Kapital entsprechend angelegt wird, etwa besonders nachhaltig. Auch riskantere Anlagemöglichkeiten müssten Rogalls Meinung nach heute zulässig sein; noch muss jede Stiftung darüber mit ihrem Finanzamt verhandeln. Grundsätzlich findet Rogall, dass sich die Stiftermentalität erfreulich entwickelt hat. Der Trend zu stiften halte an, auch durch die Generation der Erben. "Wenn man ein Misanthrop ist", sagt er, "dann muss man mal für eine Stiftung arbeiten. Dann merkt man durch die vielen angefragten Projektideen und engagierten Mitarbeiter ganz schnell, dass wir eigentlich gar nicht in einer Ellenbogengesellschaft leben".

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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