Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Strom für alle

Torsten Schreiber investiert Millionen in Mali. Das tut der Unternehmer aus Hessen aus Überzeugung. Seine Projekte sind ungewöhnlich - und ziemlich riskant.

Von Jan Willmroth

, Mali, südlich der Hauptstadt Bamako gelegen, der langjährige Präsident Ibrahim Boubacar Keïta wohnt nicht weit von dort. Ein junger Mann, 26, hat lange gespart, denn er will fliehen aus diesem Dorf ohne ständige Stromversorgung, das Land verlassen, quer durch die Sahara gen Norden, er braucht das Geld für die Schlepper, die ihn durch die Wüste bringen sollen. Der Plan ändert sich mit einem Schiffscontainer, der seit Anfang des Jahres am Rande von Djoliba steht. Darin ist ein mobiles Kraftwerk verbaut, Solarmodule plus Batterie, günstiger als Strom aus dem Dieselgenerator. Der Mann entschließt sich zu bleiben, investiert sein Geld in Computer, kauft Tische und Stühle. Djoliba hat jetzt ein Internetcafé.

Geschichten wie diese sind der Grund, warum Torsten Schreiber so viel riskiert. Vor fünf Jahren hat der Unternehmer aus dem hessischen Hainburg gemeinsam mit seiner aus Mali stammenden Frau Aida Africa Greentec gegründet, baut 40-Fuß-Container zu Fotovoltaikkraftwerken um, stellt sie in malischen Dörfern auf und verkauft Menschen Strom, die teilweise nie welchen hatten. 12 000 Dorfgemeinschaften in Mali leben ohne Elektrizität. Durch Mali, wo am Sonntag gewählt wurde, führen viele Fluchtrouten, das Land ist ein Schwerpunkt der Strategie der Bundesregierung, Fluchtursachen direkt vor Ort zu bekämpfen. "Die Bundeswehr schickt Soldaten nach Mali", sagt Schreiber, "Africa Greentec schickt Strom und sauberes Wasser." Dabei war es nie sein primäres Ziel, Fluchtursachen zu bekämpfen.

Er hätte längst scheitern können, er weiß, dass das noch immer möglich ist. Seine Projekte sind gewagt. Schreiber ist in Mali als der einzige private Investor aus Deutschland bekannt, alles andere ist Budget- oder Entwicklungshilfe. Inzwischen laufen neun Solarkraftwerke in malischen Dörfern, zwei weitere sind bereits im Land, zwei auf dem Schiff, vier sind noch in Bau. Bald starten Projekte im benachbarten Niger und in Somaliland, es gibt Pläne für Togo und in Äthiopien. Wo Africa Greentec ankommt, bildet das Unternehmen Menschen aus, die Anlagen anschließen und warten können, junge, ambitionierte Menschen, diejenigen, die fliehen.

Wie hartnäckig Schreiber sein kann, hat auch die Bundesregierung erfahren. Vor Weihnachten 2016 war er beim damaligen deutschen Botschafter in Bamako zu Gast, ihm fiel eine Urkunde an der Wand auf: Im Jahr 1977, Helmut Schmidt war Kanzler und Hans-Dietrich Genscher Außenminister, hatte die Bundesrepublik ein Investitionsschutzabkommen mit Mali unterzeichnet. Zwei Jahre später trat es in Kraft - aber nie hatte sich jemand darauf berufen. Schreiber bemühte sich mehr als eineinhalb Jahre lang um eine Garantie der Bundesregierung für seine Investitionen in Mali, besorgte sich Briefe von Ministerien in Bamako, ließ Africa Greentec von der Beratungsfirma PwC durchleuchten, bis der interministerielle Ausschuss für Investitionsgarantien Ende Juni positiv entschied.

Jetzt zahlt er 50 000 Euro Prämie im Jahr, dafür sind die zehn Millionen Euro, die er über eine Anleihe aufnimmt, gegen Enteignung und andere politische Risiken abgesichert. Für die Fonds, Nachhaltigkeitsbanken und Family Offices, die Interesse an Schreibers Anleihe zeigen, ist das eine wichtige Voraussetzung, überhaupt zu investieren. Für Schreiber ist es ein weiterer Beweis, dass sich das Risiko lohnt, wenn er und seine Frau wochenlang Mali bereisen, wenn er mit Dorfältesten und Bürgermeistern verhandelt und ihnen mit Solarmodulen und Großbatterien ausgestattete Container liefert, wenn er auch in Krisengebieten Strom verkauft und sieht, wie sich das Leben der Menschen verändert. Menschen wie der Internetcafébesitzer, der nicht floh.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2018
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