Nahaufnahme:Stoff für Geschichtsbücher

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„Das ist einfach verrückt und passt besser an einen Ort wie die Sowjetunion in den 80er-Jahren“, sagt ein Oppositions-Abgeordneter über die Verordnung von Ebrahim Patel. (Foto: P.Magakoe/POOL/AFP)

Warum Südafrikas Handelsminister Ebrahim Patel den Verkauf kurzer Hosen verbietet.

Von Bernd Dörries

Die einen verorten den Ursprung der neuen Richtlinien in unmittelbarer Nähe von "Alice im Wunderland", die anderen tippten eher auf eine längst vergangene Epoche, werfen mit Begriffen wie "Stalinismus" und "wie in der DDR" um sich, ohne wohl genau zu wissen, wer Stalin war oder wie das Leben im Osten. Es fand sich aber auch kaum jemand, der die seltsame Verwaltungsvorschrift von Südafrikas Handelsminister Ebrahim Patel verteidigen wollte, mit der dieser gerade öffentlich machte, welche Art Kleidung in Südafrika trotz sehr harter Beschränkungen wieder verkauft werden dürfe.

Im Land beginnt gerade der Winter, der nass und kalt werden kann, deshalb dürfen sich die Bürger nun passende Kleidung zulegen. Was passend ist, entscheidet allerdings der Handelsminister: Hosen, die nicht bis zu den Knöcheln reichen, müssen mit hohen Stiefeln oder Leggings getragen werden. T-Shirts sind nur erlaubt, wenn sie als Unterzieh-Shirt zum warmen Wollpulli beworben werden.

Ein Minister könne doch nicht entscheiden, was die Leute tragen wollen, kritisierte der Oppositionsabgeordnete Dean Macpherson. "Das ist einfach verrückt und passt besser an einen Ort wie die Sowjetunion in den 80er-Jahren als in eine Demokratie wie Südafrika." Patel selbst sagt, er wolle einfach nur vermeiden, dass alle Leute auf einmal in die Läden rennen und sich dort gegenseitig anstecken.

Für viele Wirtschaftsverbände ist er aber "Minister red tape". Der Mann, der die Läden entweder überhaupt nicht oder nur teilweise öffnen will, sodass große Teile der Ladenfläche mit roten Bändern abgesperrt werden müssen. Weil dort Dinge verkauft werden, die der Handelsminister nicht mag: kurze Hosen etwa. Oder auch warme Hühnchen, die ebenfalls auf der roten Liste stehen, deren Verkauf aber in kaltem Zustand wiederum genehmigt ist. Auch hier ist das Argument: Er wolle nicht, dass alle in die Läden strömen. Es ist die gleiche Diskussion, die überall geführt wird: Die einen sagen, die Kur dürfe nicht schlimmer als die Krankheit sein, und wollen die Wirtschaft öffnen. Die anderen mahnen zur Vorsicht. Pantel, 58, gehört zu Letzteren.

Seit Ende März ist Südafrika im Lockdown, der Verkauf von Alkohol und Zigaretten ist verboten. Die Zahl der Infizierten liegt mit etwa 12 000 weit unter den düsteren Vorhersagen. Der Einbruch der Wirtschaft aber eher darüber, um 20 Prozent könnte sie schrumpfen, die Arbeitslosigkeit von 38 auf 50 Prozent steigen. Kritiker machen dafür auch Patel verantwortlich, der ein Handelsminister sei, der den Handel nicht mag. Lange wollte er nicht einmal den Online-Handel zulassen. Das sei unfair gegenüber jenen kleinen Läden, die keinen Internet-Shop hätten. Es ist eine ziemlich dickköpfige Logik: Lieber sollen alle gleich schlecht dastehen, als dass manche Arbeitsplätze gerettet werden können. "Fairness" ist der Kernbegriff von Patels Politik, er hat als Gewerkschafter gegen die politische Apartheid gekämpft und legte sich nach deren Ende mit den Großunternehmen und Kartellen an, zwang die Konzerne dazu, große Summen für die Förderung kleiner Unternehmen zu zahlen. Es ging ihm darum, den Reichtum des Landes fairer zu verteilen. Gleichzeitig steht er aber auch für den Teil des regierenden ANC, der glaubt, besser zu wissen, wie die Wirtschaft funktioniert. Viel herausgekommen ist dabei in den vergangenen Jahren nicht, außer Korruption, Misswirtschaft und Stagnation. Nun trägt Patel mit seinen bürokratischen und lebensfernen Richtlinien dazu bei, dass Verständnis und Akzeptanz sinken für den harten Corona-Kurs der Regierung. Obwohl das Land wohl eher am Anfang der Pandemie steht als an deren Ende.

© SZ vom 14.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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