Nahaufnahme:Sie besorgt das Geld

Nahaufnahme: Jessica Espinoza: "Es hat mich sehr geprägt, zu sehen, wie Frauen und Mädchen in Armut und Diskriminierung feststecken, nur weil sie Frauen und Mädchen sind."

Jessica Espinoza: "Es hat mich sehr geprägt, zu sehen, wie Frauen und Mädchen in Armut und Diskriminierung feststecken, nur weil sie Frauen und Mädchen sind."

(Foto: Isadora Tast/oh)

Jessica Espinoza hat internationale Betriebswirtschaft studiert. Aber nicht, um dann viel Geld zu verdienen, sondern um für Frauen mehr Chancengerechtigkeit durchsetzen.

Von Kathrin Werner

Jessica Espinoza wollte schon immer raus, aus ihrer beschaulichen Heimatstadt Tübingen. "Ich habe schon mit 13 gesagt, dass ich weg und in die Welt will", sagt sie. Doch ihre Eltern waren dagegen, dass sie ein Schuljahr im Ausland verbrachte - zu teuer, und außerdem wollten sie ihre Tochter nicht gehen lassen. "Vielleicht haben sie es mir auch nicht zugetraut", sagt Espinoza. Ein paar Jahre später hat sie es ihnen gezeigt, könnte man sagen. Da lebte sie in einer WG in Mexiko-Stadt. Dann in Nicaragua und Ecuador. Und in einer kleinen Wohnung in einem Hinterhof in Accra in Ghana. "In meinem Stadtteil war ich weit und breit die einzige Ausländerin", sagt sie. Ihre Familie findet es heute toll, dass sie so viel von der Welt sieht - und diese verändert, verbessert. Man muss Espinoza eine Menge zutrauen.

"Ich hatte schon immer ein Ziel", sagt sie. "Ich will auf internationaler Ebene zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen." Sie entschied, internationale Betriebswirtschaftslehre zu studieren - nicht um wie viele Studienkollegen in Konzernen viel Geld zu verdienen, sondern weil sie glaubte, dass man am meisten bewirken kann, wenn man sich mit Geld auskennt. Nach Stationen bei einem Sozialunternehmen in Mexiko und einer Bank in Nicaragua und bei einem Kredittransparenz-Verein verschlug es sie 2015 zur DEG nach Köln.

Die DEG ist ein Tochterunternehmen der staatlichen Förderbank KfW, das Unternehmen in Entwicklungsländern finanziert und berät. Bis vor Kurzem war Espinoza dafür zuständig, um die Welt zu reisen und lokale Banken dazu zu bringen, mehr Kredite an kleine und mittelgroße Unternehmen zu vergeben, bei denen eine Frau das Sagen hat oder die sich mit ihren Produkten speziell an Frauen richten. "Vor allem Frauen haben Probleme, an Start- und Wachstumskapital zu kommen", sagt sie. Frauen fühlten sich von den Angeboten der Banken oft nicht angesprochen oder werden von den Banken nicht ernst genommen. Außerdem hätten sie es in vielen Ländern schon deshalb schwer, an Kredite zu kommen, weil sie kein Land besitzen dürfen und ihnen deshalb Sicherheiten fehlen. "Meine Aufgabe ist es, zu zeigen, dass es sich lohnt, Frauen Kredite zu geben, weil sie loyale Kunden sind mit einer enorm guten Rückzahlungsquote", sagt Espinoza. Kleinstkredite bekommen Frauen vielleicht noch. "Aber wenn es darum geht, einen Traktor zu finanzieren, statt nur die Saat, ist oft niemand mehr für sie da."

Espinoza verhandelte mit den Partnerbanken auch Deals, bei denen sich die DEG an den kleinen Geldhäusern beteiligte oder langfristige Darlehen gab. Eines ihrer größten Projekte war mit der mexikanischen Bankengruppe Mega, bei der sie nun im Aufsichtsrat sitzt - eine heute 33-jährige Deutsche im Kontrollgremium einer Bank aus Guadalajara. "Ich hatte mir das vorher schwieriger vorgestellt", sagt sie. "Wenn man die DEG vertritt, wird man als junge Frau auch in Macho-Ländern ernst genommen. Ich habe ja eine Investoren-Rolle. Ich war fast überrascht, wie positiv meine Ratschläge angenommen wurden."

Espinoza war mit den Bank-Kooperationen so erfolgreich, dass sie vor Kurzem befördert wurde. Statt selbst mit den Partnern in den Entwicklungsländern zusammenzuarbeiten, entwickelt sie nun die Strategie der DEG weiter, um die Kooperationen mit lokalen Geldhäusern zu verbessern. Es ist auch ganz schön, in Köln wieder eine Heimat zu haben, sagt sie. Und gleichzeitig weiter daran zu arbeiten, ihr Ziel zu verfolgen. "Es hat mich sehr geprägt, zu sehen, wie Frauen und Mädchen in Armut und Diskriminierung feststecken, nur weil sie Frauen und Mädchen sind", sagt sie. "Sie haben die gleichen Träume und Hoffnungen wie hier auch, aber nicht die Chance, sie zu entfalten."

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