Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Schluss mit Stift und Papier

Wieland Sommer will mit seinem Start-up Smart Reporting Krankenhäuser digitalisieren.

Von Caspar Busse

Er war mit Anfang 30 einer der jüngsten Professoren, doch in der Klinik hat es Wieland Sommer, inzwischen 40 Jahre alt und ausgebildeter Radiologe, nicht lange gehalten. Schon von 2013 an war er auch als Berater tätig, 2014 gründete er dann ein eigenes Unternehmen. Einige Jahre lang arbeitete Sommer noch parallel zu seinen unternehmerischen Aktivitäten als Arzt im Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München-Großhadern. Doch inzwischen ist er nur noch für seine Firma Smart Reporting da.

"Die Digitalisierung im Krankenhaus steht erst am Anfang", sagt Sommer. Noch immer seien viele Abläufe in den Kliniken zu kompliziert und zu wenig digital. Wenn es sogenannte digitale Patientenakten gebe, sei das in der Regel nur eine Ansammlung von PDF-Dokumenten. Mit Digitalisierung habe das nicht viel zu tun. Aus dieser Erfahrung heraus hat Sommer Smart Reporting gegründet, zunächst, um die Arbeit von Radiologen zu vereinfachen. Inzwischen ist die Firma bereits in 90 Ländern aktiv und hat zuletzt in einer Finanzierungsrunde erneut 15 Millionen Euro eingesammelt. Sommer ist immer noch einer der Hauptaktionäre. Zu den Kapitalgebern gehören nun auch Private Equity Fonds, Family Offices und Wolfgang Reitzle, der Vorsitzende des Linde-Verwaltungsrats.

Die medizinische Dokumentation im Krankenhaus erfolge oft noch mit Stift und Papier oder per Diktiergerät, sagt Sommer. "Das ist noch immer ein Großteil der ärztlichen Tätigkeit, das wollen wir effizienter machen. Das Ziel ist auch, dass in Zukunft einfach bessere Entscheidungen getroffen werden", sagt der Gründer. So ist mit der cloudbasierten Software von Smart Reporting nicht nur eine schnellere Dokumentation möglich, sondern auch eine intensivere Befundanalyse. Die Firma hat 70 Mitarbeiter, etwa 30 Prozent haben einen medizinischen Hintergrund. Das sei die Stärke. Sommer sagt: "Unsere Kernkompetenz ist, dass wir die medizinischen Abläufe zu hundert Prozent kennen und verstehen." Ärzte, sagt er, seien nur selten unter den Gründern von Start-ups, aber: "Wir sind nicht in erster Linie eine Technikfirma, sondern medizingetrieben."

Der schmale Mann mit der runden Brille, der gut Cello spielt, stammt aus München, schon sein Vater hatte eine Radiologiepraxis in München-Pasing. Der Sohn studierte Medizin in Heidelberg, Berlin, Madrid und Lausanne, später machte er noch einen Abschluss in Public Health in Harvard. Das Ziel sei es, in gewisser Weise Pionierarbeit zu leisten und eine Plattform zu schaffen, zunächst für Radiologen. Dies sei, so Sommer, nur herstellerunabhängig möglich. Aber: "Mit GE oder Siemens haben wir eine sehr enge Zusammenarbeit." Diese stellen die großen Geräte her, Smart Reporting liefert dann die Software für die Auswertung der Untersuchungsergebnisse.

Inzwischen hat sich die Firma, die in der Münchner Innenstadt direkt gegenüber der Siemens-Zentrale ihren Sitz hat, etabliert und ist in Fachkreisen bekannt. Das Potenzial ist groß: Der radiologische IT-Markt wird weltweit auf acht Milliarden Dollar geschätzt. Insgesamt gibt es etwa 350 000 Radiologen weltweit, die entweder in Kliniken oder als niedergelassene Ärzte arbeiten. Ziel ist, später auch andere Fachbereiche zu bedienen. Aber Sommer ist realistisch: "Man braucht zehn bis 15 Jahre, um ein Unternehmen nachhaltig aufzubauen, dazu gehört auch der Sprung von einem Start-up zu einem richtigen Unternehmen."

Profitiert hat Smart Reporting dabei von der Corona-Pandemie. Denn die bewirkte auch in der Medizin einen Digitalisierungsschub. "Man merkt jetzt, wie wichtig es ist, dass Daten vernetzt und verfügbar sind", sagt Sommer.

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SZ vom 23.07.2020
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