Nahaufnahme:Sauer auf die Liste

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Mia Mottley: "Wer gibt der EU das Recht, mitten in der Pandemie, mitten in der Hurrikan-Saison Strafen zu verhängen?" (Foto: AFP)

Mia Mottley, die Premierministerin des Karibikstaats Barbados, ist sauer auf die EU. Sie findet, dass ihr Land ungerecht behandelt wird.

Von Björn Finke

Mia Mottley ist wütend. Beim Videointerview sitzt die Premierministerin von Barbados am Schreibtisch; hinter ihr sind die Flagge des Inselstaates zu sehen sowie durch ein Fenster Bäume, die sich sanft im karibischen Wind wiegen. Doch die erste weibliche Regierungschefin des Landes ist alles andere als sanftmütig eingestellt: "Wo bleibt die Gerechtigkeit?", fragt die sozialdemokratische Politikerin. "Wer gibt der EU das Recht, mitten in der Pandemie, mitten in der Hurrikan-Saison Strafen zu verhängen?" Was die 54-Jährige so aufregt, ist eine Entscheidung der EU-Kommission vom Mai. Da veröffentlichte die Brüsseler Behörde eine aktualisierte Liste von Staaten mit hohem Geldwäscherisiko. Sie nahm zwölf Staaten neu auf - darunter Barbados, eine frühere britische Kolonie mit weniger als 300 000 Einwohnern.

Diese Länder gehen nach Einschätzung der Kommission nicht hart genug gegen Geldwäsche vor. Die Befürchtung: Kriminelle könnten dort die Erlöse aus Verbrechen und Korruption in den legalen Geldkreislauf einspeisen. Daher müssen Banken in der EU schärfer kontrollieren, wenn bei Geschäften ihrer Kunden auch jemand aus diesen Staaten beteiligt ist. Premierministerin Mottley sagt aber, die Gefahr sei groß, dass einige europäische Banken lieber Überweisungen in den Inselstaat verweigerten, anstatt mühsam ein Kontrollregime zu etablieren: "Weil wir so klein sind, lohnt sich das nicht." Sie habe bereits von zwei Fällen gehört, wo Unternehmer Schwierigkeiten bekommen hätten - "und Gott weiß, was nach Oktober passiert", wenn die Liste offiziell in Kraft tritt.

Firmen könnten die hoch verschuldete Insel verlassen, und Bajans, so nennen sich die Bewohner, Jobs verlieren, sagt Mottley, die in London Jura studiert hat. Der Spross einer Politikerfamilie wurde mit nur 28 Jahren ins Parlament gewählt und sofort zur Ministerin ernannt. 2008 übernahm sie als erste Frau den Vorsitz der Labour Party und war damit Oppositionsführerin. Vor zwei Jahren gewann Mottley die Parlamentswahlen - ihre Partei eroberte alle 30 Sitze im Abgeordnetenhaus. Für sie hatte unter anderem die Popsängerin Rihanna geworben, die von Barbados stammt.

Dass ihre Regierung mehr tun muss gegen Geldwäsche, bezweifelt Mottley gar nicht. Die FATF, eine Organisation, in der Staaten bei dem Thema zusammenarbeiten, hat Barbados im Februar auf ihre sogenannte graue Liste gesetzt: Die Insel steht nun unter verschärfter Beobachtung und hat sich verpflichtet, Missstände rasch abzustellen. "Wir haben uns mit der FATF im März auf einen Aktionsplan geeinigt, und wir wollen diesen bis deutlich vor Jahresende abgearbeitet haben", sagt Mottley. "Wir sind kooperativ." Danach könnte die FATF Barbados von der grauen Liste nehmen - und die EU die Insel von ihrer eigenen, hofft die Premierministerin. Doch solch eine Entscheidung könne gut und gerne bis März dauern, und so lange werde Barbados unter dem Beschluss der EU leiden.

Besonders sauer ist sie darüber, dass die Kommission ihre Regierung vor Veröffentlichung der Liste nicht um eine Erklärung gebeten habe: "Wir haben daraus aus der Zeitung erfahren. Und seitdem habe ich es nicht geschafft, auch nur einen EU-Finanzminister dazu zu bewegen, mit mir zu reden." In der EU-Kommission wird dieser Darstellung freilich widersprochen. Ein Beamter sagt, der Auswärtige Dienst der EU habe sämtliche betroffene Staaten vorgewarnt. Im Übrigen sei es nichts Neues und wohlbekannt, dass seine Behörde alle Länder, die auf einer FATF-Liste landen, danach auf die eigene Liste aufnehme. Dass Barbados mit der FATF zusammenarbeite, sei löblich, ändere aber daran nichts.

Mottley bleibt also nur, die Anti-Geldwäsche-Reformen umzusetzen, abzuwarten - und wütend zu sein.

© SZ vom 15.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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