Nahaufnahme:Raus aus dem Hasenstall

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Hartmut Retzlaff: "Es ist uns gelungen unter meiner Leitung aus einem etwas besseren Hasenstall einen mittlerweile gut reputierlichen M-Dax-Konzern zu machen." (Foto: Stada/oh)

Die Bezüge von Stada-Chef Hartmut Retzlaff stehen in der Kritik. Der Chef des Pharmaunternehmens selbst hält seine Ansprüche jedoch für angemessen.

Von Helga Einecke

Der Chef des Pharmaunternehmens Stada, Hartmut Retzlaff, fällt mit exorbitant hohen Pensionsansprüchen auf. Nicht zum ersten Mal, aber erneut auf der Hauptversammlung in Frankfurt. Christian Strenger, Experte in Sachen guter Unternehmensführung, prangerte die hohe Vergütung an, stellte Gegenanträge und verlangte eine Sonderprüfung. "Ich bleibe dabei, was Sie Herrn Retzlaff zugebilligt haben, ist nicht angemessen", sagte er an die Adresse des Aufsichtsrats.

Dem Unternehmenschef hat Stada 32 Millionen Euro an einen Pensionsfonds überwiesen, inklusive Gebühren. Noch im Herbst war von 24 Millionen Euro die Rede, sogar von einem großzügigen Verzicht auf weitere Millionen, die Retzlaff zugestanden hätten. Der hält seine Ansprüche, die er im Laufe seiner langen Amtszeit seit 1993 erwarb, für angemessen. "Es ist uns gelungen unter meiner Leitung aus einem etwas besseren Hasenstall einen mittlerweile gut reputierlichen M-Dax-Konzern zu machen", kommentierte er die eigenen Verdienste.

Sein Aufsichtsratsvorsitzender Martin Abend, ein Rechtsanwalt aus Dresden, verteidigte die Auslagerung der Ansprüche in einen Fonds als notwendig, um deren weitere dynamische Steigerung zu stoppen. Bereits Ende vergangenen Jahres wäre sonst ein Barwert von 52,5 Millionen Euro erreicht worden. Strenger hielt dagegen. Der Liquiditätsentzug und die Auslagerung der Millionen verstoße gegen die Unternehmensinteressen. "Nun ist das Geld weg", gab er zu bedenken. Dafür habe Stada Schulden aufnehmen müssen.

Außerdem sei es Sache des Aufsichtsrats, jährlich die Verträge der Vorstände zu prüfen. "Dann hätten Sie zu anderen Schlüssen kommen müssen", meinte Strenger. Möglicherweise seien einige Kontrolleure auch schon zu lange im Amt oder würden ihre Aufgaben nicht in der gebotenen Sorgfalt wahrnehmen. Es ging dem Kritiker Strenger nämlich nicht nur um die Pensionsansprüche.

Er monierte eine weitere "schmerzliche Dissonanz". Das Jahr 2014 sei eine einzige Enttäuschung gewesen. Die Gewinnprognose sei verfehlt worden, der Aktienkurs in einem glänzenden Börsenjahr stark zurückgegangen. Trotzdem seien die Gehälter von Retzlaff, 61, und den beiden weiteren Vorstandsmitgliedern unverhältnismäßig aufgestockt worden, auch im Vergleich zu anderen Unternehmen. Außerdem stellte Strenger die Frage, welche Qualifikation und Verträge es für den Sohn von Retzlaff gebe, der vier Tochtergesellschaften von Stada leitet. "Es geht um die Vermeidung des Anscheines von Interessenkonflikten", sagte Strenger und regte eine neutrale Überprüfung an. Des Weiteren fragte er nach dem nennenswerten Aktienbesitz von Retzlaff und seiner Familie, der auch auf Nachfragen nicht offengelegt wurde.

Der Aufsichtsrat hatte gleich zu Beginn der Hauptversammlung weiteren Attacken vorgebeugt und die Billigung eines neuen Vergütungssystems für den Vorstand zurückgezogen. Institutionelle Aktionäre hatten im Vorfeld signalisiert, dem nicht zuzustimmen. Für eine ausreichende Beurteilung des neuen Vergütungsmodells gebe es nicht genügend Informationen. "Das, was Sie geliefert haben, ist Müll", fasste ein Aktionärsvertreter die Vorschläge des Aufsichtsrats zusammen.

Trotz der Aufregerthemen Manager-Gehälter und Pensionen blieb die Stimmung auf der Stada-Hauptversammlung gemäßigt. Viele Aktionäre stärkten sich eher mit Kartoffelsalat mit Würstchen, statt der Diskussion zu folgen. Sie entlasteten Vorstand und Aufsichtsrat, ungeachtet der erhobenen Vorwürfe und angeregten Sonderprüfung. 58 Prozent des Kapitals ist in Hand institutioneller Anleger, elf Prozent halten Apotheker und Ärzte.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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