Sofia Ashraf läuft entschlossenen Schrittes über einen Steg, umhüllt von einem roten Sari, der Ausdruck forsch, sie hebt den Arm im Takt und singt "Unilever came and left devastation", Unilever kam und hinterließ Verwüstung. Der Beat, mit dem der Song hinterlegt ist, mag dem einen oder anderen bekannt vorkommen, er stammt von einem Rapsong, der in Klubs rauf und runter läuft. Ashraf, kurze schwarze Haare, zarte Statur, hat sich bei ihrem sozialkritischen Lied "Kodaikanal Won't" von dem Hit "Anaconda" der US-amerikanischen Sängerin Nicki Minaj inspirieren lassen - zumindest musikalisch.
Die junge Inderin fordert in ihrem Rap, dass der niederländisch-britische Konzern Unilever Verantwortung übernimmt für die Folgen eines Umweltskandals in Kodaikanal, einer Stadt im Süden des Landes im Staat Tamil Nadu. Ashraf ist dort aufgewachsen. Heute lebt sie in Mumbai.
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Mit einem Mikrofon in der Hand läuft Ashraf im Video durch die Straßen, im Hintergrund protestieren Menschen, auf ihren Plakaten steht: "Räumt euren Müll weg". Bis vor 14 Jahren noch hat die Unilever-Tochter Hindustan Unilever Limited in Kodaikanal Thermometer hergestellt. Auf Druck von Greenpeace und anderen Organisationen legte Unilever die Fabrik still, als öffentlich wurde, dass mit Quecksilber kontaminiertes Glas nicht fachgerecht entsorgt worden war. Die Firma hatte den Industriemüll an einen Schrotthändler verkauft, der drei Kilometer entfernt von der Fabrik 5,3 Tonnen Giftmüll einfach in der Erde vergrub.
Unilever Limited versprach damals, den Schaden wiedergutzumachen. Die Firma schreibt in einer Stellungnahme im Netz, man habe das kontaminierte Glas in den Jahren nach dem Skandal nachträglich entsorgt und auch großzügig Boden abgetragen. Die ehemaligen Arbeiter sagen, sie warten bis heute auf eine Entschädigung. Man habe ihnen damals keine Schutzkleidung gegeben und sie nicht aufgeklärt über den giftigen Stoff, mit dem sie hantierten. Sie und ihre Kinder würden bis heute unter den gesundheitlichen Folgen der Quecksilberbelastung leiden. Durch das Einatmen von Quecksilber-Dämpfen können lebenswichtige Organe wie Leber oder Nieren geschädigt werden, ein direkter Kontakt ist lebensgefährlich. Es soll Todesfälle gegeben haben. Die Klage der früheren Arbeiter liegt derzeit dem Madras High Court vor, wie es ausgeht, ist offen.
"You ain't done done done", singt Ashraf, ihr seid noch nicht fertig. Der Boden? Die Luft? Immer noch kontaminiert, rappt Ashraf. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie der Nichtregierungsorganisation Community Environmental Monitoring. Im April 2015 untersuchten deren Mitarbeiter das Gebiet um die Fabrik herum. Luft und Boden, so ihr Ergebnis, seien immer noch mit Quecksilber verseucht.
Ashraf rappt nicht zum ersten Mal über den Giftmüll, den Konzerne in Indien hinterlassen. Schon 2008 stand sie in einer schwarzen Burka auf der Bühne und klagte mit "Don't Work For Dow" den US-Konzern Union Carbide an. In einer Nacht waren im Jahr 1984 fast 40 Tonnen Gift aus einer Pestizidfabrik in Bhopal entwichen, ein Stoff, der die Haut und Lungen verätzt, Tausende Menschen starben.
Mit ihrer Musik will Ashraf die Zuhörer nicht nur aufrütteln, sondern auch etwas bewegen. Der Videoclip endet mit den Worten "make amends now", zahlt Entschädigung. Über einen grau hinterlegten Button gelangt man zu einer Website mit einer Petition, die Unilever dazu aufruft, Verantwortung zu übernehmen. In nur fünf Tagen hat Ashraf mit "Kodaikanal Won't" mehr als eine Million Klicks auf Youtube erhalten. Die Petition unterschrieben haben bisher mit 34 000 Menschen nur vergleichsweise wenige.