Nahaufnahme:Putins Mann für Zahlen

Maxim Oreschkin

Maxim Oreschkin: „Die USA wollen nicht, dass die EU und Russland enge wirtschaftliche Beziehungen haben.“

(Foto: Mikhail Tereshchenko/imago)

Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin sieht eine Renaissance in den Handelsbeziehungen zu Deutschland.

Von Michael Bauchmüller

Maxim Oreschkin ist kein Mann ausschweifender Worte, eher der nüchterne Typ. "Als Ökonom schaue ich auf Zahlen", sagt er. "Das hilft definitiv, die Realität zu beschreiben." In diesen Zahlen sieht er eine Menge guter Entwicklungen. "Wir hatten definitiv eine harte Zeit, in der wir viel Vertrauen verloren haben, nicht nur politisch", sagt Oreschkin. "Jetzt sind wir dabei, das schrittweise wiederherzustellen."

Ähnlich schnörkellos sprach Wladimir Putin, als er Oreschkin Ende 2016 zu seinem Wirtschaftsminister machte. "Sie arbeiten noch nicht lange, aber Sie arbeiten erfolgreich", befand der russische Präsident. Beides stimmte. Oreschkin war zu diesem Zeitpunkt erst 34 und damit jüngstes Mitglied der Regierung. Zuvor hatte er aber schon für eine Reihe von Großbanken gearbeitet, darunter auch die französische Crédit Agricole, zuletzt war er stellvertretender Finanzminister gewesen. Er gilt als Zögling Putins - aber einer, der auch einmal den Einfluss des Staates auf die russische Wirtschaft offen kritisiert.

In diesen Tagen ist Oreschkin in Berlin unterwegs, auch das ein Teil seiner Vertrauensoffensive. Zwischen einem Zusammentreffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und einem Auftritt vor einem Dutzend russischer Kameras empfängt Oreschkin die SZ. Er spricht leise, gedämpft, lächeln tut er nicht viel. Die Mission ist ja auch nicht einfach. Ökonomisch hat es schon bessere Zeiten zwischen Deutschland und Russland gegeben. Sanktionen und Gegensanktionen trüben weiter das Geschäft. Politisch bleibt die Ukraine-Krise eine schwere Belastung.

Oreschkin selbst sieht eine Renaissance in den Wirtschaftsbeziehungen, doch die letzten Zahlen sind nicht so rosig. In der Exportstatistik, so meldet der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, ist Russland mittlerweile auf Rang 15 zurückgefallen, noch hinter Ungarn. Während deutsche Firmen im Rekordjahr 2012 noch Waren im Wert von 38 Milliarden Euro nach Russland exportierten, waren es im vorigen Jahr nur noch Waren im Wert von 26 Milliarden Euro. Dazwischen liegen die Krimkrise und allerlei Sanktionen. Vor allem die Diskussion um amerikanische Sanktionen gegen Russland verunsichere deutsche Firmen, heißt es beim Ost-Ausschuss. Sie könnten indirekt auch deutsche Investitionen treffen.

Oreschkin hat seine eigene Theorie dazu: Es gehe um Macht durch Marktanteile. "Die USA wollen nicht, dass die EU und Russland enge wirtschaftliche Beziehungen haben", sagt er. Das erhöhe die Macht europäischer und russischer Unternehmen. "Und die US-Firmen wollen keine starken Wettbewerber in Europa." Beispiele hat er gleich parat. Finanzsanktionen etwa träfen europäische Banken hart, nicht aber amerikanische: Dafür sei deren Engagement in Russland zu gering. Mit Wirtschaftssanktionen tue sich Washington leicht, weil es wenig Warenaustausch gebe. Entsprechend weniger seien die USA auch von Gegensanktionen betroffen. Und Nord Stream 2, die deutsch-russische Gasverbindung, lehne die Trump-Regierung schon deshalb ab, weil sie die Chancen amerikanischen Flüssiggases in Europa schmälere. "Es geht letztlich um die europäische Souveränität", sagt Oreschkin. Vieles klingt nach Kaltem Krieg - nur eben mit Geld.

Am Gelingen der Ostseepipeline Nord Stream 2 hat der junge Minister wenig Zweifel. Selbst die Verschärfung der EU-Regeln für die Durchleitung des Gases werde das nicht verhindern. Gleichwohl werde der Einfluss von Öl und Gas weiter zurückgehen. Russland müsse sich stärker um sein Humankapital kümmern, sagt Oreschkin - um kluge Köpfe also. "Letztlich geht es um unsere Fähigkeit, jedem Einzelnen zu erlauben, sich selbst zu entwickeln", sagt er. "Das entscheidet über die Zukunft Russlands."

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