Nahaufnahme:Mittendrin und weit weg

Nahaufnahme: undefined

Siemens-Energiechefin Lisa Davis könnte diejenige sein, die die ausgelagerte Kraftwerkssparte an die Börse führt. Könnte - denn angeblich wachsen Zweifel an der Personalie Davis. Insider meinen, sie sei zu weit weg.

Von Thomas Fromm

Am Mittwoch dieser Woche war sie eine der wenigen Frauen auf der Bühne - und sie hat die wichtigste Rede gehalten: Lisa Davis, Leiterin des Kraftwerkgeschäfts bei Siemens. Sachlich, ruhig, unaufgeregt, dunkler Anzug, weiße Bluse. Sie sagte Sätze wie: "Wir haben ein Unternehmen, das alles im Portfolio hat, um erfolgreich zu sein." Das ist Manager-Sprech, aber es gehört eben dazu, wenn man vor Investoren präsentiert.

Dass die Frau, die die Siemens-Sparte von ihrem Büro in Houston aus leitet, unter besonderer Beobachtung steht, hat gute Gründe: Noch ist die Energiesparte, zu dem auch das schwache Geschäft mit großen Gasturbinen gehört, ein Teil von Siemens. Nach den jüngsten Plänen von Vorstandschef Joe Kaeser aber soll die Sparte abgespalten und im nächsten Jahr als eigener Konzern mit 80 000 Mitarbeitern und 30 Milliarden Euro Umsatz an die Börse gebracht werden. Von der Größe her könnte das Konstrukt durchaus ein neuer Dax-Wert werden - und Lisa Davis wäre dann die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens. Wäre. Denn die Sache gilt intern als ziemlich schwierig.

Da ist zum einen ihr Vertrag, der bis 2020 läuft und dann noch einmal bis 2021 verlängert werden kann. Sollte es wirklich zu einem Börsengang im nächsten Jahr kommen, werden die Investoren wissen wollen, wer den Konzern in den Jahren darauf leiten wird. Bei Siemens heißt es nun, die Dinge würden von der Lebensplanung der Managerin abhängen. Lebensplanung? Rätselhafter geht es kaum.

Tatsächlich hängen die Dinge auch vom Arbeitgeber selbst ab. Und hier wachsen, so berichten Industriekreise, die Zweifel an der Personalie Davis. Obwohl erst einmal vieles für die Amerikanerin spricht: Sie machte unter anderem bei Exxon und Shell Karriere und wurde von Siemens vor fünf Jahren auch deshalb über einen Headhunter eingekauft, weil sie sich im Öl- und Gas-Sektor auskannte. Und dabei als extrem umtriebig gilt. "Wenn ein Kunde aus dem Mittleren Osten sagt, er möchte mal die Chefin sprechen, dann fliegt sie dahin, auch nur für eine Stunde", sagt ein Insider. Gleichzeitig ist sie weit weg von den Machtzentren dieses an Mächten nicht armen Konzerns. Und so heißt es, Davis sei auch nach Jahren noch immer nicht richtig bei Siemens angekommen. Amerikanischer und europäischer Management-Stil könnten manchmal eben sehr verschieden sein - vor allem wenn es dann später darum gehen werde, deutsche Spezialgebiete wie die Arbeitnehmer-Mitbestimmung im Alltag in den Griff zu kriegen.

Teilnehmer einer internen Mitarbeiterveranstaltung bei Siemens an diesem Mittwoch berichten zudem von einer interessanten Aussage Kaesers. Der habe deutlich gemacht, dass die Zentrale des Geschäfts zwar heute in Texas angesiedelt sei, dies aber nicht so bleiben müsse. Man werde Büros für den neuen Energiekonzern da errichten, wo einen die Politik am meisten unterstütze - und dies könne überall auf der Welt sein. Ein Seitenhieb gegen den America-First-Präsidenten Donald Trump, der nur wenig übrig hat für nicht-amerikanische Konzerne? Die Ankündigung eines Umzugs? Und vor allem: Was bedeutet das für die US-Managerin, die derzeit viel zwischen Houston, Deutschland und dem Rest der Welt unterwegs ist?

Und so wird auch hier wieder, wie so oft, die neue Siemens-Allzweckwaffe Michael Sen, 50, ins Spiel gebracht. Der Mann, der sich im Siemens-Vorstand unter anderem um den Windenergieausrüster Siemens Gamesa und die Medizintechniktochter Healthineers kümmert, war zwischendurch auch mal Finanzvorstand bei Eon - er könnte, sagen einige, also auch Kraftwerke. Vor allem aber ist er im Vorteil: Er ist immer nah dran.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: