Nahaufnahme:Manager-Funktionär

Nahaufnahme: Chinas Staatskonzerne hätten die "Orientierung verloren" und seien zu "langsam beim sich Anpassen an Veränderungen". Frank G. Ning.

Chinas Staatskonzerne hätten die "Orientierung verloren" und seien zu "langsam beim sich Anpassen an Veränderungen". Frank G. Ning.

(Foto: Reuters)

Frank G. Ning ist Pekings Experte für ganz große Fusionen. Sein neuer Deal könnte ihn an die Spitze des größten Chemiekonzerns der Welt befördern.

Von Christoph Giesen

Die Chefs chinesischer Staatskonzerne sind Apparatschiks, Männer in etwas zu weit geschnitten Anzügen, die Befehle der Partei umsetzen. Auf ihren Schreibtischen stehen rote Telefone - die Dauerleitung zum Minister. Das ist die Regel.

Doch es gibt auch Ausnahmen: Zum Beispiel Ning Gaoning. Der 57-Jährige ist Aufsichtsratschef beim staatlichen Chemiekonzern Sinochem. Auf seiner Visitenkarte steht allerdings: Frank G. Ning. Ein chinesischer Funktionär mit einem englischen Vornamen. Das ist ungewöhnlich - genauso wie es seine Reden sind. Chinas Staatskonzerne, hätten die Orientierung verloren, sagte er etwa im vergangenen Jahr bei einer Konferenz in New York selbstkritisch - natürlich auf Englisch. Das hat er während des Studiums in den Achtzigerjahren in Pittsburgh gelernt.

Schon bald könnte dieser Mann Chef des größten Chemiekonzerns der Welt werden. Die Anzeichen verdichten sich, dass Nings Sinochem mit Chem-China, dem zweiten großen chinesischen Chemiekonzern, zusammengelegt werden könnte. Zusammengerechnet kämen Chem-China und Sinochem auf einen Jahresumsatz von etwa 90 Milliarden Euro - deutlich mehr als BASF, der bisherige Marktführer.

Die Führung in Peking hat in den vergangenen Jahren mehrere Großfusionen durchgedrückt, entstanden sind so etwa die Reederei Cosco oder der Zughersteller CNR-CSR. Erst kürzlich haben die Stahlkonzerne Baosteel und Wuhan ihren Zusammenschluss verkündet. Diese Fusionen werden nicht nur zum Kostensenken vorangetrieben, sondern auch, um künftig nicht mehrere staatliche Anbieter zu haben, die sich gegenseitig unterbieten.

Ein weiterer Grund sind kartellrechtliche Bedenken: Da die meisten Staatskonzern bislang relativ wenig Auslandsgeschäft betreiben, können die Wettbewerbshüter in Europa und den Vereinigten Staaten den Fusionen nicht widersprechen. Chinesische Behörden winken die Deals ohnehin durch.

In ein paar Jahren könnte das schon schwieriger werden. Noch ist Chinas Chemie-Ehe nicht beschlossen, vor allem der Chef von Chem-China, Ren Jianxin, scheint sich zu wehren. Im Gegensatz zu Ning spricht Ren kaum Englisch und gehört zum Lager der Jugendliga. Der Nachwuchsverband der Partei hatte unter Xi Jinpings Vorgänger Hu Jintao großen Einfluss, doch der schwindet. Hat Ren Angst, eine Fusion könnte die Übernahme des Schweizer Agrarkonzerns Syngenta beeinflussen? 43 Milliarden Dollar bietet Chem-China. Nings Förderer glauben jedoch, dass Ren selbst das größte Hindernis für die anstehende Übernahme sei. Sie sind über dessen gigantischen Schuldenberg besorgt und trauen ihm die Integration von Syngenta nicht zu.

Ganz anders Frank G. Ning: In China gilt er als Fachmann für Zukäufe. 18 Jahre arbeitete er für den staatlich kontrollierten Mischkonzern China Resources. In dieser Zeit stemmte Ning als verantwortlicher Manager mehr als hundert Übernahmen. Bevor er Anfang des Jahres zu Sinochem wechselte, war er Chef des größten chinesischen Lebensmittelherstellers, der China National Cereals, Oils and Foodstuffs Corporation - kurz Cofco. Dort führte er die Management-Methoden von GE-Legende Jack Welch ein. Für die hundert wichtigsten Manager seines Konzerns erstellte er eine Rangliste, die fünf Schlechtesten feuerte er. "Hundert Leute, die vor dem Tiger flüchten", so nennt Ning das Prinzip.

Auch politisch ist er bestens verdrahtet. Ning ist Mitglied der Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei - einem der mächtigsten Organe. Wird gegen einen Genossen in China ermittelt, dürfen die Gerichte erst nach Erlaubnis der Disziplinarkommission tätig werden. Ning entscheidet also mit.

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